Pflichtteil von Kindern reduzieren: 7 praxiserprobte Strategien zur Sicherung Ihres Vermögens
Ein Mandant wollte sein über Jahrzehnte aufgebautes Unternehmen schützen, doch der Pflichtteilsanspruch seines Sohnes drohte, die Firma zu zerschlagen. Durch eine gezielte Kombination aus Schenkung und gesellschaftsrechtlicher Gestaltung sparte er über 250.000 € und sicherte die Zukunft des Betriebs. Erfahren Sie, wie auch Sie Ihr Vermögen wirksam schützen können.
Das Thema kurz und kompakt
Schenkungen zu Lebzeiten können den Pflichtteil reduzieren, wobei der anrechenbare Wert der Schenkung pro Jahr um 10 % sinkt (10-Jahres-Frist).
Ein notarieller Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung schafft sofortige Rechtssicherheit und gibt Ihnen die volle Testierfreiheit zurück.
Die Wahl des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft anstelle der Gütertrennung kann die Pflichtteilsquote von Kindern halbieren.
Viele Erblasser möchten ihr Vermögen frei und nach eigenen Vorstellungen an die nächste Generation weitergeben. Das deutsche Erbrecht setzt diesem Wunsch jedoch mit dem Pflichtteilsanspruch enge Grenzen. Insbesondere Kinder haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine Mindestbeteiligung am Nachlass, selbst wenn sie im Testament enterbt wurden. Dieser Anspruch beläuft sich auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und kann die vom Erblasser gewollte Vermögensaufteilung empfindlich stören. Doch Sie sind dem nicht hilflos ausgeliefert. Es gibt eine Reihe von legalen und wirksamen Strategien, mit denen Sie den Pflichtteilsanspruch von Kindern reduzieren und Ihre Nachlassplanung aktiv gestalten können. Wir zeigen Ihnen, wie Sie mit vorausschauender Planung Ihr Lebenswerk sichern.
Die Grundlage verstehen: Was ist der Pflichtteilsanspruch?
Der Pflichtteilsanspruch ist eine im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankerte Mindestbeteiligung am Nachlass für die engsten Angehörigen. [5] Selbst wenn Sie ein Kind in Ihrem Testament enterben, hat es nach § 2303 BGB einen Anspruch in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils. Bei einem Nachlass von 500.000 € und zwei Kindern würde der gesetzliche Erbteil pro Kind 250.000 € betragen; der Pflichtteil läge demnach bei 125.000 €. Dieser Anspruch ist ein reiner Geldanspruch gegen die Erben. [3] Die Kenntnis dieser Quote ist die Basis für jede Strategie zur Reduzierung. Ein fundiertes Verständnis im Pflichtteilsrecht ist daher der erste Schritt. Diese gesetzliche Garantie schränkt Ihre Testierfreiheit erheblich ein, doch es gibt Wege, sie zu gestalten.
Strategie 1: Vermögen durch Schenkungen zu Lebzeiten übertragen
Eine der bekanntesten Methoden, den Nachlass und damit den Pflichtteil zu verringern, sind Schenkungen zu Lebzeiten. Der Wert der Schenkung wird dem Nachlass nur dann voll zugerechnet, wenn der Erbfall innerhalb eines Jahres eintritt. Für jedes weitere Jahr, das zwischen Schenkung und Erbfall liegt, reduziert sich der anrechenbare Wert um 10 % (Abschmelzungsmodell nach § 2325 BGB). [4] Eine Schenkung von 100.000 €, die 5 Jahre vor dem Tod erfolgte, wird also nur noch mit 50.000 € berücksichtigt. Vorsicht ist bei Immobilienschenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt geboten, da hier die 10-Jahres-Frist oft nicht zu laufen beginnt. [2] Um die Vorteile voll auszuschöpfen, sollten Sie Schenkungen strategisch planen. Diese Methode erfordert Weitsicht, da der Zeitpunkt der Schenkung entscheidend für die Reduzierung des Pflichtteils ist.
Strategie 2: Rechtssicherheit durch einen Pflichtteilsverzicht schaffen
Eine sofort wirksame und rechtssichere Lösung ist der notariell beurkundete Pflichtteilsverzicht. [1] Hierbei vereinbaren Sie mit dem pflichtteilsberechtigten Kind, dass es gegen eine Abfindungszahlung auf seine zukünftigen Ansprüche verzichtet. Die Abfindung ist frei verhandelbar und liegt oft 20-40 % unter dem hypothetischen zukünftigen Pflichtteil. Ein solcher Vertrag gibt Ihnen die volle Testierfreiheit über Ihr Vermögen zurück. [4] Beispielsweise kann ein erwarteter Pflichtteil von 150.000 € durch eine einmalige Abfindung von 90.000 € abgefunden werden. Ein Erbverzicht gegen Abfindung ist eine klare Regelung für alle Beteiligten. Wenn eine einvernehmliche Lösung nicht möglich ist, können testamentarische Anreize eine Alternative sein.
Strategie 3: Anreize durch Pflichtteilsstrafklauseln im Testament setzen
Besonders bei Ehegatten, die sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen (Berliner Testament), sind Pflichtteilsstrafklauseln ein wirksames Instrument. [1] Die Klausel legt fest: Fordert ein Kind nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil, wird es auch nach dem Tod des zweiten Elternteils enterbt und erhält wiederum nur den Pflichtteil. [3] In vielen Fällen verliert das Kind dadurch über 75 % des Erbes, das es bei loyalem Verhalten erhalten hätte. Diese Klausel übt erheblichen finanziellen Druck aus, den Pflichtteil nicht sofort geltend zu machen. Eine professionelle Testamentsgestaltung ist hierbei unerlässlich. Für komplexere Vermögen, wie Unternehmen oder Immobilienportfolios, sind jedoch oft weitergehende Maßnahmen erforderlich.
Strategie 4: Den Güterstand als Hebel zur Pflichtteilsreduzierung nutzen
Der eheliche Güterstand hat direkten Einfluss auf die Höhe des Pflichtteils der Kinder. [1] Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten pauschal um ein Viertel, was die Erbteile der Kinder und somit deren Pflichtteile reduziert. [3] Ein Wechsel von der Gütertrennung zur Zugewinngemeinschaft kann die Pflichtteilsquote eines Kindes halbieren, zum Beispiel von 1/4 auf 1/8. [4] Hierfür ist ein notarieller Ehevertrag notwendig. Die Wahl des richtigen Güterstandes ist ein oft unterschätztes, aber sehr wirksames Instrument. Lassen Sie sich zu den Optionen im Erbrecht beraten. Wenn das Verhältnis zu einem Kind jedoch tiefgreifend zerrüttet ist, stellt sich die Frage nach drastischeren Maßnahmen.
Strategie 5: Die Ultima Ratio – Vollständige Entziehung des Pflichtteils
Die vollständige Entziehung des Pflichtteils ist nur in extremen Ausnahmefällen möglich, die in § 2333 BGB streng geregelt sind. [1] Die Hürden hierfür sind sehr hoch und erfordern ein schweres Fehlverhalten des Kindes. Folgende Gründe können eine Entziehung rechtfertigen:
Der Abkömmling trachtet dem Erblasser oder einer ihm nahestehenden Person nach dem Leben.
Er macht sich eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens gegen diese Personen schuldig. [2]
Er verletzt böswillig seine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser.
Er wird wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt. [3]
Eine bloße Zerrüttung des Familienverhältnisses oder Kontaktabbruch reichen für eine Entziehung niemals aus. [4] Die Möglichkeiten der Enterbung sollten genau geprüft werden. Neben diesen persönlichen Verfehlungen gibt es auch rein sachliche, vermögensbezogene Gestaltungen.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Vermögen gezielt in Länder zu verlagern, deren Rechtssystem keinen oder einen deutlich schwächeren Pflichtteilsschutz kennt (z.B. viele Common-Law-Staaten). Nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) gilt grundsätzlich das Recht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Durch einen Umzug und die Verlagerung von Vermögen kann das anwendbare Erbrecht und damit die Pflichtteilsfrage gesteuert werden. Diese Strategie erfordert eine sorgfältige Planung und oft einen tatsächlichen Lebensmittelpunkt im Ausland von mindestens 5 Jahren. Ein Erbvertrag kann hierbei zusätzliche Sicherheit schaffen. Doch nicht immer muss man das Land verlassen; oft reicht eine kluge Strukturierung des Vermögens im Inland.
Die Übertragung von Vermögenswerten wie Immobilien oder Betriebsvermögen in eine Familiengesellschaft (z.B. eine GbR oder KG) kann den Pflichtteil erheblich reduzieren. Anstelle des direkten Vermögenswertes werden dann Gesellschaftsanteile vererbt. Die Bewertung dieser Anteile kann durch Regelungen im Gesellschaftsvertrag, wie z.B. hohe Abfindungsbeschränkungen bei Kündigung, um bis zu 40 % niedriger ausfallen als der reine Substanzwert. Sie behalten als Geschäftsführer die volle Kontrolle, während der für den Pflichtteil relevante Wert sinkt. Diese Methode schützt insbesondere Betriebsvermögen vor Zerschlagung. Eine durchdachte Nachfolgeplanung ist der Schlüssel, um Ihr Lebenswerk zu sichern und Streit zu vermeiden. Wir beraten Sie persönlich, um die für Sie passende Strategie zu entwickeln und Ihr Vermögen nach Ihren Wünschen für die Zukunft aufzustellen.
Literatur
[[1]]: § 2333 BGB - Pflichtteilsentziehung: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__2333.html
[[2]]: Gesetzestext zu § 2336 BGB: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__2336.html
[[3]]: Voraussetzungen für die Entziehung des Pflichtteils: https://www.rosepartner.de/pflichtteil-entziehen-enterbung.html
[[4]]: Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht: https://www.erbrecht-ratgeber.de/erbrecht/pflichtteil/erbverzicht.html
[[5]]: Pflichtteil Höhe und Berechnung: https://www.raklinger.de/pflichtteil/pflichtteil-berechnung/
[[6]]: Pflichtteilsergänzungsanspruch: https://www.juracademy.de/familienrecht-erbrecht/pflichtteilsergaenzungsanspruch.html
[[7]]: Nießbrauch im Erbrecht: https://www.erbrechtsinfo.com/allgemeines-erbrecht/niessbrauch/
[[8]]: Pflichtteil für Kinder und der Güterstand der Eltern: https://www.erbrecht-ratgeber.de/erbrecht/pflichtteil/pflichtteil_kind.html
FAQ
Wie hoch sind die Kosten für einen Pflichtteilsverzicht?
Die Kosten setzen sich aus der Abfindung für den Verzichtenden und den Notargebühren zusammen. Die Abfindung ist frei verhandelbar, liegt aber meist unter dem Wert des künftigen Pflichtteils. Die Notarkosten richten sich nach dem Geschäftswert, also der Höhe des Pflichtteils, auf den verzichtet wird.
Beginnt die 10-Jahres-Frist bei einer Immobilienschenkung mit Nießbrauch?
Nein. Nach der Rechtsprechung des BGH beginnt die 10-Jahres-Frist bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht zu laufen, da der Schenker die Immobilie wirtschaftlich weiterhin nutzt. Der Wert der Immobilie wird daher auch nach mehr als 10 Jahren noch voll für den Pflichtteilsergänzungsanspruch berücksichtigt.
Kann ich den Pflichtteil auch durch einen Verkauf unter Wert reduzieren?
Ja, aber nur bedingt. Ein Verkauf unter Wert stellt eine sogenannte gemischte Schenkung dar. Die Differenz zwischen dem tatsächlichen Wert und dem niedrigeren Kaufpreis wird als Schenkung behandelt und kann Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen.
Welche Rolle spielt der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) schützt Pflichtteilsberechtigte davor, dass der Erblasser den Nachlass durch Schenkungen zu Lebzeiten aushöhlt. Schenkungen der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall werden dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet, um den Pflichtteil neu zu berechnen.
Was ist der Unterschied zwischen dem 'kleinen' und 'großen' Pflichtteil beim Ehegatten?
Diese Unterscheidung gilt nur für Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der 'große' Pflichtteil wird aus dem um ein Viertel erhöhten gesetzlichen Erbteil berechnet. Der 'kleine' Pflichtteil wird aus dem nicht erhöhten Erbteil berechnet, zusätzlich kann aber der konkrete Zugewinnausgleich gefordert werden. Die Wahl hängt vom Einzelfall ab.
Muss der Grund für eine Pflichtteilsentziehung im Testament stehen?
Ja, zwingend. Nach § 2336 BGB muss der konkrete Grund, der zur Entziehung berechtigt, zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestehen und im Testament detailliert angegeben werden. Fehlt diese Angabe, ist die Entziehung unwirksam.