Gesetzliche Erbfolge durch Testament ausschließen: So setzen Sie Ihren letzten Willen rechtssicher durch
Ein Mandant wollte sein Vermögen von 500.000 € ausschließlich seiner Nichte vererben und seinen Sohn übergehen. Ohne eine präzise Regelung hätte der Sohn jedoch einen Pflichtteil von 125.000 € fordern können. Lesen Sie, wie Sie die gesetzliche Erbfolge vollständig ausschließen und Ihr Erbe nach Ihren Wünschen gestalten.
Das Thema kurz und kompakt
Ein Testament allein schließt nahe Angehörige nicht vollständig vom Erbe aus, da der gesetzliche Pflichtteilsanspruch (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils) bestehen bleibt.
Die vollständige Entziehung des Pflichtteils ist nur unter extrem strengen, in § 2333 BGB festgelegten Voraussetzungen möglich, wie z. B. bei schweren Straftaten gegen den Erblasser.
Der sicherste Weg, einen Erben vollständig auszuschließen, ist ein notariell beurkundeter Erbverzichtsvertrag, der meist gegen eine Abfindung geschlossen wird.
Viele Menschen möchten frei darüber entscheiden, wer ihr Vermögen nach dem Tod erhält. Doch das deutsche Erbrecht setzt diesem Wunsch klare Grenzen. Ein einfaches Testament, in dem ein gesetzlicher Erbe nicht bedacht wird, führt oft nur zur sogenannten Enterbung, schließt den Anspruch auf eine Mindestbeteiligung – den Pflichtteil – aber nicht aus. Um die gesetzliche Erbfolge durch ein Testament vollständig auszuschließen, bedarf es spezieller juristischer Instrumente. Dieser Artikel zeigt Ihnen die strategischen Optionen auf, von der Pflichtteilsentziehung unter strengen Voraussetzungen bis zum sicheren Erbverzicht, und erklärt, wie Sie kostspielige Formfehler vermeiden. Wir beraten Sie persönlich, um eine maßgeschneiderte und rechtssichere Lösung für Ihre Nachfolge zu finden.
Die Grenzen des Testaments: Warum der Pflichtteil stärker ist als gedacht
Grundsätzlich können Sie mit einem Testament die vom Gesetz vorgesehene Erbfolge ändern. [2] Ohne Testament erben Ihre nächsten Verwandten nach einer festen Rangfolge. [3] Ein Testament hebelt diese Automatik aus, doch eine entscheidende Hürde bleibt: der Pflichtteil. [1] Nahe Angehörige wie Kinder, Ehepartner oder Eltern haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine Mindestbeteiligung am Nachlass, selbst wenn Sie sie im Testament übergehen. [5] Dieser Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Geldanspruch gegen die Erben. [1] Bei einem Nachlass von 400.000 € und einem enterbten Einzelkind beträgt der Pflichtteil beispielsweise 100.000 €, da der gesetzliche Erbteil 50 % (200.000 €) wäre. Ein einfaches Streichen aus dem Testament genügt also nicht, um jemanden vollständig von Ihrem Vermögen fernzuhalten. Die gesetzliche Erbfolge wirkt durch den Pflichtteil stark nach. Um diesen Anspruch zu umgehen, sind weitere, drastischere Maßnahmen erforderlich.
Die Enterbung: Ein erster Schritt mit begrenzter Wirkung
Die ausdrückliche oder stillschweigende Enterbung in einem Testament ist der erste Schritt, um die Erbfolge selbst zu gestalten. [4] Sie bestimmen beispielsweise eine Person zum Alleinerben und schließen damit alle anderen gesetzlichen Erben von der Erbengemeinschaft aus. Das Resultat ist jedoch nicht die vollständige Anspruchslosigkeit. Der Enterbte wird lediglich vom Status eines Erben zum Pflichtteilsberechtigten. [2] Ein enterbter Sohn kann also nicht mehr über den Verkauf des Elternhauses mitentscheiden, aber er kann von der erbenden Schwester die Auszahlung seines Pflichtteils in bar verlangen. Die Enterbung ist somit nur eine teilweise Ausschließung vom Nachlass. Sie entzieht dem Betroffenen die Verfügungsgewalt, sichert ihm aber eine finanzielle Mindestbeteiligung. Die vollständige Ausschließung erfordert daher einen schwerwiegenderen Grund.
Die Pflichtteilsentziehung: Die absolute Ausnahme nach § 2333 BGB
Die Möglichkeit, die gesetzliche Erbfolge durch ein Testament vollständig auszuschließen, also auch den Pflichtteil zu entziehen, ist an extrem hohe Hürden geknüpft. Das Gesetz schützt die Testierfreiheit nur dann uneingeschränkt, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte schwerster Verfehlungen schuldig gemacht hat. Die Gründe hierfür sind in § 2333 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) abschließend geregelt. [1,2] Eine Entziehung ist nur in wenigen Fällen möglich. Dazu gehören:
Wenn der Berechtigte dem Erblasser, dessen Ehepartner oder Kindern nach dem Leben trachtet.
Wenn er sich eines Verbrechens oder schweren vorsätzlichen Vergehens gegen diese Personen schuldig macht.
Wenn er seine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzt.
Wenn er wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wird. [3]
Der Entziehungsgrund muss bei der Testamentserrichtung vorliegen und im Testament exakt angegeben werden. [4] Ein bloßer Familienstreit oder eine Kontaktsperre über 10 Jahre reichen nicht aus. Aufgrund dieser strengen Vorgaben ist die wirksame Gestaltung des Pflichtteilsrechts eine komplexe Aufgabe, die eine Alternative oft sinnvoller macht.
Der Erbverzicht: Die sicherste Methode zur vollständigen Ausschließung
Wenn die Gründe für eine Pflichtteilsentziehung nicht vorliegen, bietet der Erbverzicht die einzige absolut sichere Methode, einen gesetzlichen Erben vollständig auszuschließen. [1] Hierbei schließen Sie zu Lebzeiten einen Vertrag mit dem betreffenden Erben, in dem dieser auf alle künftigen Erb- und Pflichtteilsansprüche verzichtet. [2] In der Praxis geschieht dies fast immer gegen die Zahlung einer Abfindung, die oft unter dem zukünftigen Pflichtteil liegt, dem Verzichtenden aber sofort zur Verfügung steht. Ein solcher Vertrag muss zwingend notariell beurkundet werden, um gültig zu sein (§ 2348 BGB). [3] Ein notarieller Erbverzicht schafft für beide Seiten sofortige Rechtssicherheit und verhindert spätere Streitigkeiten zu 100 %. Im Gegensatz zum Testament ist diese Vereinbarung bindend und kann nicht einseitig widerrufen werden, was sie zu einem mächtigen Instrument macht, ähnlich wie ein Erbvertrag statt Testament. Doch es gibt auch mildere Wege, um Pflichtteile zumindest zu reduzieren.
Strategien zur Pflichtteilsreduzierung: Berliner Testament und Schenkungen
Nicht immer ist eine vollständige Enterbung das Ziel. Oft geht es darum, den Pflichtteil strategisch zu minimieren. Ein beliebtes Instrument für Ehepaare ist das Berliner Testament, bei dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Um zu verhindern, dass Kinder nach dem Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil fordern und so das Vermögen des überlebenden Partners schmälern, wird oft eine Pflichtteilsstrafklausel eingefügt. [1] Diese Klausel legt fest, dass ein Kind, das den Pflichtteil beim ersten Erbfall verlangt, auch beim zweiten Erbfall nur den Pflichtteil erhält und nicht Erbe wird. [4] Eine weitere Strategie sind Schenkungen zu Lebzeiten. Vermögen, das Sie verschenken, wird bei der Berechnung des Pflichtteils nur anteilig berücksichtigt. Nach § 2325 BGB verringert sich der anrechenbare Wert der Schenkung für jedes Jahr, das zwischen Schenkung und Erbfall liegt, um 10 %. [1] Nach 10 Jahren bleibt die Schenkung bei der Pflichtteilsberechnung komplett unberücksichtigt. Mit solchen Methoden lässt sich der Pflichtteilsanspruch reduzieren, doch die korrekte Umsetzung ist entscheidend.
Formfehler vermeiden: So bleibt Ihr letzter Wille gültig
Die beste strategische Planung ist nutzlos, wenn das Testament an Formfehlern scheitert. Ein eigenhändiges Testament ist nur gültig, wenn es die strengen Anforderungen des § 2247 BGB erfüllt. [2] Bereits kleine Fehler können die gesamte Verfügung unwirksam machen, wodurch wieder die gesetzliche Erbfolge greift. Achten Sie unbedingt auf diese drei Punkte:
Vollständig handschriftlich: Der gesamte Text muss vom Erblasser von Hand geschrieben sein. Ein am Computer getipptes und nur unterschriebenes Dokument ist zu 100 % ungültig. [3]
Leserliche Schrift: Das Testament muss von Dritten entziffert werden können.
Unterschrift: Die Verfügung muss am Ende mit dem vollen Vor- und Nachnamen unterschrieben werden. [5]
Ort und Datum: Diese Angaben sind zwar keine Pflicht, aber sie helfen, die Gültigkeit bei mehreren Testamenten zu klären und Zweifel auszuräumen. [2]
Schon ein Formfehler, wie die fehlende handschriftliche Abfassung, kann dazu führen, dass Ihr Vermögen von 500.000 € komplett anders verteilt wird als von Ihnen gewollt. Um solche fatalen und teuren Fehler im Testament zu vermeiden, ist eine professionelle Prüfung unerlässlich.
Die Frage „Wie kann ich die gesetzliche Erbfolge durch ein Testament vollständig ausschließen?“ lässt sich nicht mit einer Standardvorlage beantworten. Jede familiäre und finanzielle Situation erfordert eine individuelle Analyse und eine maßgeschneiderte Lösung. Wir beraten Sie persönlich und entwickeln mit Ihnen eine Strategie, die Ihren Wünschen zu 100 % entspricht. Ob es um die Prüfung der strengen Voraussetzungen für eine Pflichtteilsentziehung, die Verhandlung eines Erbverzichtsvertrags oder die Gestaltung eines rechtssicheren Testaments geht – wir stehen Ihnen mit unserer Erfahrung zur Seite. Eine Investition in eine fundierte Rechtsberatung sichert Ihr Lebenswerk ab und verhindert, dass Ihr Vermögen durch Erbstreitigkeiten oder Formfehler um bis zu 50 % geschmälert wird. Die Kosten für einen Erbrechtsanwalt sind im Vergleich zum potenziellen Verlust minimal. Kontaktieren Sie uns für ein persönliches Gespräch, damit Ihr letzter Wille auch wirklich zählt.
Literatur
[[1]]: § 2333 BGB - Einzelnorm: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__2333.html
[[2]]: Entziehung des Pflichtteils: https://www.erbrecht.de/erbe-sein/pflichtteil/entziehung/
[[3]]: § 2348 BGB - Einzelnorm: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__2348.html
[[4]]: Erbverzicht erklärt: https://www.finanztip.de/erbverzicht/
[[5]]: Pflichtteilsstrafklausel im Berliner Testament: https://www.erbrecht.de/die-pflichtteilsstrafklausel-im-berliner-testament-ein-kurzer-einblick-in-die-gestaltungspraxis/
[[6]]: § 2325 BGB - Einzelnorm: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__2325.html
[[7]]: BGB § 2247 - Eigenhändiges Testament: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__2247.html
[[8]]: Eigenhändiges Testament: https://www.erbrecht.de/nachlass-planen/testamente/eigenhaendiges-testament/
FAQ
Wie schließe ich meine Kinder vollständig vom Erbe aus?
Um Kinder vollständig auszuschließen, reicht ein Testament nicht, da ihnen ein Pflichtteil zusteht. Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder Sie schließen zu Lebzeiten einen notariellen Erbverzichtvertrag mit Ihren Kindern, oft gegen eine Abfindung. Oder Sie entziehen den Pflichtteil im Testament, was aber nur bei schweren Verfehlungen wie Straftaten gegen Sie rechtlich möglich ist (§ 2333 BGB).
Was kostet ein Erbverzicht beim Notar?
Die Notarkosten für einen Erbverzicht richten sich nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) und sind vom Wert des Nachlasses abhängig. Es wird eine doppelte Gebühr (2,0) fällig. Bei einem Nachlasswert von 250.000 € können die Notargebühren beispielsweise rund 1.500 € betragen.
Kann ich meinen Ehepartner vollständig enterben?
Ja, auch der Ehepartner kann durch Testament enterbt werden, behält aber seinen Pflichtteilsanspruch. Ein vollständiger Ausschluss ist, wie bei Kindern, nur durch einen notariellen Erbverzicht oder bei Vorliegen der strengen Gründe für eine Pflichtteilsentziehung nach § 2333 BGB möglich.
Welche Gründe rechtfertigen einen Pflichtteilsentzug?
Die Gründe sind im Gesetz eng gefasst. Dazu zählen der Versuch, den Erblasser oder nahe Angehörige zu töten, schwere Verbrechen gegen diese Personen, die böswillige Verletzung der Unterhaltspflicht oder eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung, wenn die Teilhabe am Nachlass unzumutbar ist.
Verfällt der Pflichtteil nach einer bestimmten Zeit?
Der Pflichtteilsanspruch selbst verjährt drei Jahre nach dem Schluss des Jahres, in dem der Berechtigte vom Erbfall und seiner Enterbung erfahren hat. Der Anspruch verfällt also nicht automatisch, sondern muss vom Erben aktiv eingefordert werden.
Was ist eine Pflichtteilsstrafklausel?
Dies ist eine Klausel in einem gemeinschaftlichen Testament (z.B. Berliner Testament). Sie soll Kinder davon abhalten, nach dem Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil zu fordern. Fordert ein Kind den Pflichtteil trotzdem, enterbt es sich für den zweiten Erbfall automatisch und erhält auch dann nur den Pflichtteil.