Erbschein ohne Testament: Ihr Leitfaden zur gesetzlichen Erbfolge und den notwendigen Nachweisen
Wenn ein Erblasser kein Testament hinterlässt, bestimmt das Gesetz die Erbfolge. Der Erbschein wird dann zum zentralen Dokument, um das Erbe antreten zu können. Dieser Artikel erklärt den Prozess vom Antrag bis zum Nachweis.
Das Thema kurz und kompakt
Ohne Testament regelt die gesetzliche Erbfolge nach Ordnungen (§§ 1924 ff. BGB) die Verteilung des Nachlasses.
Der Erbschein wird beim Nachlassgericht beantragt und erfordert lückenlose Nachweise wie Geburts- und Sterbeurkunden.
Die Kosten richten sich nach dem Nachlasswert (GNotKG) und betragen z.B. 546 € bei einem Wert von 100.000 €.
<p>Verstirbt eine Person ohne Testament oder Erbvertrag, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft und wirft für die Hinterbliebenen zahlreiche Fragen auf. Der Erbschein ist das amtliche Zeugnis, das Sie als rechtmäßigen Erben ausweist und Ihnen den Zugriff auf den Nachlass ermöglicht. Ohne dieses Dokument bleiben Bankkonten oft gesperrt und Immobilien können nicht umgeschrieben werden. Die Beantragung eines Erbscheins ohne Testament erfordert das Verständnis der gesetzlichen Erbfolge und die sorgfältige Zusammenstellung spezifischer Nachweise. Dieser Leitfaden führt Sie durch die 4 wesentlichen Schritte des Verfahrens, von der Ermittlung Ihrer Erbenstellung bis zur Kostenkalkulation.</p>
Die gesetzliche Erbfolge als Fundament des Erbscheinverfahrens verstehen
Ohne Testament regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) die Erbfolge in den §§ 1924 ff. BGB. Das Gesetz teilt die Verwandten in Ordnungen ein, wobei eine niedrigere Ordnung eine höhere stets ausschließt. Existiert nur ein Erbe 1. Ordnung, erben Angehörige der 2. Ordnung nichts.
Die Erben der 1. Ordnung sind die direkten Abkömmlinge des Erblassers, also Kinder und Enkel. Leben die Kinder des Erblassers noch, erben sie zu gleichen Teilen. Ist ein Kind bereits vorverstorben, treten dessen Kinder an seine Stelle und teilen sich dessen Erbanteil.
Zur 2. Ordnung gehören die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, also Geschwister, Neffen und Nichten. Nur wenn keine Erben der 1. Ordnung existieren, kommt diese 2. Ordnung zum Zug. Der überlebende Ehegatte hat ein eigenes Erbrecht, dessen Quote von der Existenz anderer Erben und dem Güterstand abhängt; neben Erben der 1. Ordnung erbt er in der Regel die Hälfte. Eine klare Einordnung in die gesetzliche Erbfolge ist der erste Schritt zum korrekten Antrag.
Die Kenntnis dieser Rangfolge ist entscheidend, um die eigene Erbberechtigung für den Antrag auf einen Erbschein ohne Testament korrekt darzulegen.
Den Erbscheinsantrag formal korrekt stellen
Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins ist beim zuständigen Nachlassgericht zu stellen. Dies ist in der Regel das Amtsgericht am letzten Wohnsitz des Verstorbenen, wie in § 343 FamFG festgelegt. Sie können den Antrag dort zur Niederschrift geben oder über einen Notar einreichen.
Für den Antrag müssen Sie eine eidesstattliche Versicherung abgeben, dass Ihnen keine widersprechenden Verfügungen von Todes wegen bekannt sind. Mit der Antragstellung gilt das Erbe als angenommen; eine Ausschlagung innerhalb der 6-Wochen-Frist ist dann kaum noch möglich. Die Annahme des Erbes ist ein unwiderruflicher Schritt mit weitreichenden finanziellen Folgen.
Der Antrag muss präzise Angaben enthalten, darunter die Daten des Erblassers, den Todestag und die Angabe, worauf sich Ihr Erbrecht gründet. Ein detaillierter Ablauf und notwendige Unterlagen sind entscheidend für eine zügige Bearbeitung durch das Gericht.
Die formale Korrektheit des Antrags beschleunigt das Verfahren erheblich und legt den Grundstein für die Zusammenstellung der erforderlichen Dokumente.
Alle erforderlichen Nachweise zur Legitimation als Erbe zusammenstellen
Da kein Testament vorliegt, müssen Sie Ihre Stellung als gesetzlicher Erbe lückenlos durch öffentliche Urkunden nachweisen. Das Gericht prüft die Verwandtschaftsverhältnisse bis ins Detail. Für den Antrag auf einen Erbschein ohne Testament sind daher spezifische Dokumente erforderlich.
Hier ist eine Liste der zentralen Unterlagen, die Sie im Original oder als beglaubigte Kopie vorlegen müssen:
Gültiger Personalausweis oder Reisepass des Antragstellers.
Die Sterbeurkunde des Erblassers.
Zur Darstellung der Erbfolge: Geburtsurkunden, Heiratsurkunden oder das Familienstammbuch.
Falls Erben vorverstorben sind: deren Sterbeurkunden.
Gegebenenfalls Nachweise über den Güterstand der Ehe.
Die Vollständigkeit dieser Dokumente ist der häufigste Faktor, der die Verfahrensdauer beeinflusst. Jede Lücke in der Nachweiskette führt zu Rückfragen des Gerichts und verzögert die Erteilung um Wochen. Die sorgfältige Vorbereitung dieser Nachweise ist daher für einen reibungslosen Antragsprozess unerlässlich.
Mit den vollständigen Nachweisen kann das Gericht die Erbquoten feststellen und die Kosten des Verfahrens berechnen.
Kosten und Verfahrensdauer des Erbscheinsantrags kalkulieren
Die Kosten für das Erbscheinsverfahren sind gesetzlich geregelt und richten sich nach dem Wert des Nachlasses. Das Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) ist hierfür die Berechnungsgrundlage. Es fallen in der Regel 2 volle Gebühren an: eine für die Erteilung des Erbscheins und eine für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung.
Bei einem Nachlasswert von 100.000 € betragen die Gesamtkosten beispielsweise 546 €. Steigt der Wert auf 500.000 €, erhöhen sich die Gebühren auf insgesamt 1.870 €. Diese Kosten werden aus dem Nachlass bezahlt und sind von den Erben gemeinsam zu tragen.
Die Dauer des Verfahrens beträgt im Idealfall nur wenige Wochen. Aufgrund der hohen Auslastung der Nachlassgerichte kann es in unstreitigen Fällen jedoch über 6 Monate dauern, in streitigen Fällen sogar mehr als 12 Monate. Eine präzise Vorbereitung aller Unterlagen ist der beste Weg, um die Verfahrensdauer zu verkürzen.
Nach Erhalt des Dokuments können Sie Ihre Erbenstellung im Rechtsverkehr nachweisen und über den Nachlass verfügen.
Die Funktion des Erbscheins im Rechtsverkehr nutzen
Der Erbschein ist der amtliche Nachweis Ihrer Erbenstellung und Ihrer Verfügungsbefugnis über den Nachlass. Banken verlangen dieses Dokument, um Ihnen Zugriff auf Konten des Erblassers zu gewähren. Ohne Erbschein oder eine transmortale Vollmacht bleiben Guthaben mit einem Wert von über 5.000 € oft unzugänglich.
Für die Umschreibung von Immobilieneigentum im Grundbuch ist der Erbschein zwingend erforderlich, wenn kein notarielles Testament vorliegt. Gemäß § 35 Grundbuchordnung ist er der einzige anerkannte Nachweis der Erbfolge. Ohne diesen Nachweis kann keine Grundbuchberichtigung erfolgen.
Auch Versicherungen, Behörden und andere Vertragspartner des Erblassers fordern den Erbschein zur Legitimation. Er schafft Rechtssicherheit und schützt Dritte, die mit den Erben handeln. Der Erbschein legitimiert Sie auch zur Verwaltung einer Erbengemeinschaft.
Obwohl der Erbschein ein mächtiges Instrument ist, gibt es Konstellationen, in denen er nicht zwingend benötigt wird.
Alternativen zum Erbschein prüfen und Kosten sparen
In bestimmten Fällen können Sie auf die Beantragung eines kostenpflichtigen Erbscheins verzichten. Hat der Erblasser Ihnen zu Lebzeiten eine Vollmacht erteilt, die über den Tod hinaus gültig ist (transmortale Vollmacht), können Sie Bankgeschäfte oft ohne Erbschein tätigen. Viele Banken akzeptieren dies für Konten bis zu einem Wert von 10.000 €.
Ein eröffnetes notarielles Testament oder ein Erbvertrag ersetzen den Erbschein in vielen Fällen. Zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts genügen diese Dokumente dem Grundbuchamt oder Banken als Nachweis. Ein einfaches handschriftliches Testament reicht hingegen meist nicht aus.
Die Prüfung dieser Alternativen kann Ihnen Kosten von mehreren hundert bis tausend Euro ersparen. Eine genaue Analyse der vorhandenen Dokumente ist daher der erste Schritt jeder Nachlassabwicklung.
Sollten Sie dennoch einen Erbschein benötigen, ist das Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen entscheidend für einen erfolgreichen Antrag.
Literatur
Das Statistische Bundesamt (Destatis) stellt detaillierte Statistiken zu Erbschaften und Schenkungen in Deutschland bereit.
Das Justizministerium Nordrhein-Westfalen bietet umfassende Informationen zum Erbscheinverfahren.
Die Bundesnotarkammer informiert über wichtige Aspekte des Vererbens und Schenkens, insbesondere im Erbfall.
Die Volksbanken Raiffeisenbanken bieten allgemeine Informationen zum Erbschein und dessen Bedeutung.
Der Bundesgerichtshof ermöglicht den Zugang zu seiner Rechtsprechungsdatenbank, die für juristische Präzedenzfälle relevant ist.
Unter Gesetze im Internet finden Sie den vollständigen Gesetzestext des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
Das Bundesfinanzministerium informiert detailliert über die Erbschaft- und Schenkungsteuer.
Der Bundesanzeiger bietet eine Suchfunktion für amtliche Veröffentlichungen und Bekanntmachungen.
FAQ
Muss jeder Miterbe einen eigenen Erbschein beantragen?
Nein, das ist nicht notwendig. Die Erbengemeinschaft kann einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen, der alle Miterben und ihre jeweiligen Erbquoten ausweist. Dies ist kostengünstiger als die Beantragung mehrerer einzelner Teilerbscheine.
Was passiert, wenn nach Erteilung des Erbscheins ein Testament auftaucht?
Findet sich nachträglich ein Testament, das eine andere Erbfolge vorsieht, wird der bereits erteilte Erbschein vom Nachlassgericht für kraftlos erklärt und eingezogen. Die Erbfolge wird dann auf Basis des Testaments neu bewertet und ein neuer, korrekter Erbschein muss beantragt werden.
Kann ich den Antrag auf einen Erbschein auch ohne Notar stellen?
Ja, Sie können den Antrag direkt beim zuständigen Nachlassgericht (Amtsgericht) stellen und dort zur Niederschrift erklären. Der Rechtspfleger beurkundet Ihren Antrag. Ein Notar ist eine Alternative, aber keine zwingende Voraussetzung. Die Gerichtsgebühren fallen in beiden Fällen an, beim Notar kommt zusätzlich die Umsatzsteuer hinzu.
Welche Schulden muss ich bei der Angabe des Nachlasswertes abziehen?
Für die Berechnung der Gebühren ist der Nettonachlasswert entscheidend. Sie können vom Aktivvermögen (Guthaben, Immobilien etc.) die vom Erblasser stammenden Schulden (z.B. Darlehen, unbezahlte Rechnungen) abziehen. Erbfallschulden wie Beerdigungskosten oder Pflichtteilsansprüche mindern den Wert für die Gebührenberechnung hingegen nicht.
Ist der Erbschein ein Beweis für das Eigentum an Nachlassgegenständen?
Der Erbschein beweist nur, wer Erbe geworden ist und zu welcher Quote. Er weist nicht das Eigentum an einzelnen Gegenständen aus. Die Aufteilung des Nachlasses (Auseinandersetzung) unter den Miterben ist ein separater Schritt, der nach der Erteilung des Erbscheins erfolgt.
Was ist der Unterschied zwischen einem Alleinerbschein und einem gemeinschaftlichen Erbschein?
Ein Alleinerbschein wird ausgestellt, wenn es nur einen einzigen Erben gibt. Ein gemeinschaftlicher Erbschein wird für eine Erbengemeinschaft mit mehreren Erben ausgestellt. Er listet alle Miterben und die Höhe ihrer jeweiligen Erbteile (Quoten) auf.









