Erbschein: Notar oder Amtsgericht – der strategische Kosten- und Zeitvergleich
Die Entscheidung zwischen Notar und Amtsgericht für den Erbscheinsantrag beeinflusst Kosten und Verfahrensdauer maßgeblich. Ein direkter Antrag beim Nachlassgericht kann die Gebühren um bis zu 50 % senken, während der Notar bei komplexen Fällen wertvolle Zeit spart. Dieser Leitfaden analysiert die Unterschiede und hilft Ihnen, die richtige Wahl für Ihre Situation zu treffen.
Das Thema kurz und kompakt
Der Erbschein wird immer vom Amtsgericht ausgestellt; der Notar beurkundet lediglich den Antrag, was die Kosten fast verdoppelt.
Die reinen Gerichtsgebühren sind gesetzlich festgelegt (GNotKG) und bei beiden Wegen identisch.
Bei einfachen Erbfällen ist der direkte Antrag beim Gericht die günstigste Option, während der Notar bei komplexen Fällen und Beratungsbedarf sinnvoll ist.
<p>Nach einem Erbfall ist der Erbschein oft der Schlüssel zum Nachlass. Doch Erben stehen vor einer wichtigen Entscheidung: Soll der Antrag direkt beim zuständigen Amtsgericht (Nachlassgericht) gestellt oder ein Notar beauftragt werden? Diese Wahl hat erhebliche Auswirkungen auf die Kosten und die Dauer des Verfahrens. Während die Gerichtsgebühren gesetzlich festgelegt und in beiden Fällen identisch sind, verursacht die Beauftragung eines Notars zusätzliche Kosten, die den Gesamtbetrag nahezu verdoppeln können. Wir erklären die genauen Unterschiede zwischen dem Erbschein vom Notar oder Amtsgericht, zeigen die jeweiligen Vor- und Nachteile auf und bieten eine klare Entscheidungshilfe, damit Sie den für Sie passenden Weg sicher und kosteneffizient wählen können.</p>
Zuständigkeiten geklärt: Die Rollen von Gericht und Notar
Zunächst muss ein zentrales Missverständnis geklärt werden: Der Erbschein wird immer vom zuständigen Nachlassgericht ausgestellt, niemals von einem Notar. Der Unterschied liegt im Antragsverfahren. Sie haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten, den Antrag zu stellen. Der erste Weg führt direkt zum Nachlassgericht, wo ein Rechtspfleger den Antrag protokolliert. Der zweite Weg führt über einen Notar, der den Antrag für Sie formuliert, beurkundet und an das Gericht weiterleitet. Die Gebühr für die Ausstellung des Erbscheins durch das Gericht bleibt dabei immer gleich. Die Entscheidung betrifft also nur den Weg der Antragstellung, nicht die ausstellende Behörde. Ein fundiertes Verständnis dieser Aufgabenteilung ist die Basis für die weitere strategische Planung.
Der direkte Antrag beim Amtsgericht: Der kostengünstigste Weg
Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins direkt beim Nachlassgericht ist die kostengünstigste Variante. Hier fallen lediglich die gesetzlichen Gerichtsgebühren für die Erteilung des Erbscheins und für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung an. Diese Gebühren sind im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) festgelegt und richten sich nach dem Wert des Nachlasses. Bei einem Nachlasswert von 50.000 € betragen die Gesamtkosten beispielsweise rund 330 €. Der Prozess erfordert jedoch eine sorgfältige Vorbereitung der Unterlagen. Folgende Dokumente sind erforderlich:
Personalausweis oder Reisepass des Antragstellers
Sterbeurkunde des Erblassers
Familienstammbuch, Geburts- und Heiratsurkunden zum Nachweis der Verwandtschaft
Gegebenenfalls ein handschriftliches Testament im Original
Ein Nachteil kann die Terminvergabe sein, die bei ausgelasteten Gerichten mehrere Wochen oder sogar Monate dauern kann. Dieser Weg eignet sich vor allem für einfache und eindeutige Erbfälle ohne Streitigkeiten unter den Erben. Für komplexere Fälle bietet der Bereich des Erbrechts weitere Lösungsansätze.
Der Antrag über einen Notar: Service und Beratung haben ihren Preis
Die Beauftragung eines Notars für den Erbscheinsantrag ist der komfortablere, aber auch teurere Weg. Der Notar übernimmt eine umfassende Dienstleistungs- und Beratungsfunktion. Er prüft die Unterlagen auf Vollständigkeit, formuliert den Antrag juristisch korrekt und beurkundet die eidesstattliche Versicherung. Für diese Tätigkeit erhebt der Notar eine eigene Gebühr, die sich ebenfalls nach dem GNotKG berechnet und der Gerichtsgebühr für die eidesstattliche Versicherung entspricht. Dadurch verdoppeln sich die Kosten für den Antragsprozess nahezu. Zu den Notargebühren kommt zusätzlich die gesetzliche Mehrwertsteuer von 19 % hinzu. Der Vorteil liegt in der oft schnelleren Terminvergabe und der rechtlichen Absicherung, was besonders bei komplizierten Familienverhältnissen oder unklaren Testamenten sinnvoll ist. Der Notar sorgt für einen reibungslosen Ablauf und die notwendigen Unterlagen.
Kosten im direkten Vergleich: Ein Rechenbeispiel
Die Kostenunterschiede zwischen dem Erbschein vom Notar oder Amtsgericht lassen sich am besten an einem Beispiel verdeutlichen. Die Gebühren werden nach Tabelle B des GNotKG auf Basis des Nachlasswertes nach Abzug von Schulden berechnet. Es fällt jeweils eine 1,0-fache Gebühr für die Erteilung des Erbscheins und eine 1,0-fache Gebühr für die eidesstattliche Versicherung an. Bei einem Nachlasswert von 200.000 € sieht die Rechnung wie folgt aus:
Antrag beim Amtsgericht: Die Gebühr (1,0) beträgt 435 €. Es fallen also 435 € für den Erbschein und 435 € für die eidesstattliche Versicherung an. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 870 €.
Antrag über einen Notar: Das Gericht berechnet weiterhin 435 € für die Ausstellung des Erbscheins. Der Notar berechnet für die Beurkundung des Antrags ebenfalls eine Gebühr von 435 € zuzüglich 19 % USt (82,65 €) und einer Auslagenpauschale. Die Gesamtkosten liegen hier bei rund 1.390 €.
Der Weg über den Notar kostet in diesem Beispiel also über 500 € mehr. Eine genaue Übersicht über Kosten und Vorteile hilft bei der Entscheidung.
Wann ist ein Erbschein überhaupt notwendig?
Nicht in jedem Erbfall wird ein Erbschein benötigt, was erhebliche Kosten sparen kann. Liegt ein notarielles Testament oder ein Erbvertrag vor, ersetzt dieses Dokument in der Regel den Erbschein. Zusammen mit dem Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts dient es als ausreichender Nachweis der Erbfolge gegenüber Banken oder dem Grundbuchamt. Die Eröffnung eines notariellen Testaments kostet lediglich eine Pauschale von 100 €. Ein Erbschein ist hingegen fast immer erforderlich, wenn:
kein Testament vorhanden ist und die gesetzliche Erbfolge greift.
nur ein handschriftliches Testament vorliegt.
Immobilienvermögen auf die Erben umgeschrieben werden muss (Grundbuchberichtigung) und kein notarielles Testament existiert.
Banken oder Versicherungen einen eindeutigen Erbnachweis verlangen.
Die Frage, ob ein Erbschein mit Testament nötig ist, hängt also stark von der Form des Testaments ab.
Entscheidungshilfe: Welcher Weg ist der richtige für Sie?
Die Wahl zwischen Notar und Amtsgericht hängt von drei Faktoren ab: Komplexität des Falls, Beratungsbedarf und Budget. Für einfache Fälle mit klaren Erbverhältnissen und vollständigen Unterlagen ist der direkte Antrag beim Amtsgericht die mit Abstand günstigste Lösung. Sie sparen mindestens 50 % der Antragskosten. Bei komplexen Sachverhalten ist der Notar jedoch eine sinnvolle Investition. Dies gilt insbesondere bei internationalen Erbfällen, zerstrittenen Erbengemeinschaften oder wenn der Nachlass unübersichtlich ist. Der Notar minimiert das Risiko von Fehlern, die das Verfahren verzögern könnten. Wägen Sie daher sorgfältig ab, ob die zusätzliche Gebühr den Service und die rechtliche Sicherheit rechtfertigt. Die professionelle Nachlassabwicklung kann hierbei unterstützen.
Literatur
Das Justizministerium Nordrhein-Westfalen bietet umfassende Informationen zum Erbschein im Rahmen von Nachlassverfahren.
Der Deutsche Anwaltverein veröffentlicht eine Pressemitteilung, die sich mit der Dauer von Erbscheinverfahren vor Nachlassgerichten auseinandersetzt.
Das Justizministerium Hessen stellt ein Informationsportal zum Erbscheinverfahren bereit.
Auf Gesetze im Internet finden Sie § 40 des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG), der die Kosten für die Erteilung eines Erbscheins regelt.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz bietet ein PDF-Dokument mit weiteren Informationen zum Nachlassverfahren.
Die Ordentliche Gerichtsbarkeit Hessen stellt ein Merkblatt zum Erhalt eines Erbscheins zur Verfügung.
Die Deutsche Botschaft in Singapur bietet ein PDF-Dokument zum Thema Erbschein, das insbesondere für deutsche Staatsbürger im Ausland relevant ist.
FAQ
Sind die Gebühren für den Erbschein verhandelbar?
Nein, die Gebühren sind sowohl für das Gericht als auch für den Notar gesetzlich im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) festgelegt und richten sich nach dem Nachlasswert. Es gibt keinen Verhandlungsspielraum.
Was passiert, wenn ich die eidesstattliche Versicherung vergesse?
Die eidesstattliche Versicherung ist nach § 2356 BGB ein zwingender Bestandteil des Antrags. Ohne sie kann kein Erbschein ausgestellt werden. Sowohl der Rechtspfleger beim Gericht als auch der Notar stellen sicher, dass diese Erklärung korrekt abgegeben wird.
Ich habe ein notarielles Testament. Brauche ich trotzdem einen Erbschein?
In den meisten Fällen nicht. Ein eröffnetes notarielles Testament oder ein Erbvertrag reicht als Erbnachweis für Banken und das Grundbuchamt aus. Ein Erbschein wäre hier eine unnötige Ausgabe.
Wer ist das zuständige Nachlassgericht?
Zuständig ist immer das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gemeldeten Wohnsitz hatte. Der Antrag muss bei diesem spezifischen Gericht gestellt werden.
Kann ein Anwalt den Erbschein beantragen?
Ein Anwalt kann Sie im Erbscheinsverfahren beraten und vertreten, insbesondere bei Streitigkeiten. Für die notwendige Beurkundung des Antrags mit eidesstattlicher Versicherung müssen Sie jedoch entweder zum Notar oder zum Nachlassgericht.
Was ist im Nachlasswert für die Gebührenberechnung enthalten?
Der Nachlasswert (Geschäftswert) umfasst das gesamte aktive Vermögen des Erblassers (z.B. Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere) zum Todeszeitpunkt, abzüglich der Schulden (z.B. Kredite, Beerdigungskosten).









