Kindesunterhalt rückwirkend durchsetzen: So sichern Sie Zahlungen für die Vergangenheit
Ein Mandant erhielt kürzlich 3.480 € an Nachzahlungen für sein Kind. Viele wissen nicht, dass Unterhalt für die Vergangenheit unter bestimmten Voraussetzungen einforderbar ist. Wir zeigen Ihnen, wie Sie Ihren Anspruch erfolgreich geltend machen und finanzielle Lücken schließen.
Das Thema kurz und kompakt
Rückwirkender Kindesunterhalt ist eine Ausnahme, die durch § 1613 BGB geregelt wird und aktives Handeln erfordert.
Der sicherste Weg zur Nachforderung ist die nachweisliche Aufforderung zur Auskunft über das Einkommen des Pflichtigen.
Die allgemeine Verjährungsfrist für Unterhaltsansprüche beträgt drei Jahre, beginnend am Ende des Entstehungsjahres.
Wenn der Kindesunterhalt ausbleibt, entsteht schnell eine finanzielle und emotionale Belastung. Grundsätzlich soll Unterhalt den aktuellen Bedarf decken, weshalb eine rückwirkende Forderung die Ausnahme ist. Doch das Gesetz bietet Wege, Ansprüche für die Vergangenheit zu sichern. Der Schlüssel liegt im § 1613 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), der genau festlegt, wann Sie den Kindesunterhalt rückwirkend für die Vergangenheit geltend machen können. Ob durch eine Mahnung, eine Auskunftsaufforderung oder bei unvorhergesehenen Kosten – schnelles und korrektes Handeln ist entscheidend. Wir führen Sie durch die juristischen Hürden und zeigen Ihnen, wie Sie die Ihnen zustehenden Beträge von bis zu drei Jahren sichern können.
Die rechtliche Hürde: Warum rückwirkender Unterhalt die Ausnahme ist
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Unterhalt den laufenden Lebensbedarf decken soll, nicht zur Vermögensbildung dient. Deshalb ist eine Nachforderung für vergangene Zeiträume grundsätzlich nicht vorgesehen, um den Unterhaltspflichtigen vor unerwarteten, hohen Nachzahlungen zu schützen. [4] Die entscheidende Ausnahme regelt § 1613 BGB, der drei Wege für eine rückwirkende Forderung eröffnet. [2] Sie können Unterhalt ab dem Monat fordern, in dem Sie den Pflichtigen nachweislich zur Auskunft über sein Einkommen aufgefordert, ihn in Verzug gesetzt oder eine Unterhaltsklage eingereicht haben. [3] Ohne einen dieser Schritte gehen Ansprüche aus der Vergangenheit in der Regel verloren. Ein frühzeitiger Gang zum Anwalt für Familienrecht kann hier entscheidend sein. Diese Regelung schützt den Unterhaltsberechtigten, der aktiv seine Rechte verfolgt.
Der erste Schritt zur Nachzahlung: Den Pflichtigen korrekt in Verzug setzen
Die häufigste Methode, um rückwirkenden Unterhalt zu sichern, ist die Inverzugsetzung des Unterhaltspflichtigen. Eine bloße Zahlungsbitte reicht hierfür nicht aus; es bedarf einer eindeutigen, schriftlichen Mahnung. Diese muss eine konkrete Summe und einen Zahlungszeitpunkt benennen, zum Beispiel: „Ich fordere Sie auf, ab dem 1. August 2025 einen monatlichen Kindesunterhalt von 480 € zu zahlen.“ [3] Wichtig ist der Zustellungsnachweis, etwa per Einwurf-Einschreiben, um die Fristwahrung im Streitfall belegen zu können. [3] Selbst wenn der geforderte Betrag sich später als zu hoch herausstellt, sichert die Mahnung den Anspruch zumindest in der korrekten Höhe ab dem Monat der Zustellung. [3] Oft ist der genaue Betrag aber unbekannt, was einen vorherigen Schritt erfordert: den Auskunftsanspruch durchsetzen.
Unbekanntes Einkommen: Der Auskunftsanspruch als strategischer Hebel
Wenn Sie die Einkommenshöhe des Pflichtigen nicht kennen, können Sie keinen konkreten Betrag fordern. Hier greift der gesetzliche Auskunftsanspruch nach § 1605 BGB. [2] Bereits die nachweisliche Aufforderung, Auskunft über Einkünfte und Vermögen zu erteilen, genügt, um rückwirkenden Unterhalt ab dem Ersten des Monats der Aufforderung zu sichern. [2] Dieser Weg ist oft der effektivste, da er den Anspruch sichert, selbst wenn die Berechnung Monate dauert. Ein BGH-Urteil vom April 2024 hat klargestellt, dass ein allgemeines Auskunftsverlangen auch Mehrbedarf rückwirkend sichert. [6] Um den Anspruch zu berechnen, sind folgende Informationen entscheidend:
Die letzten 12 Gehaltsabrechnungen bei Angestellten.
Die letzten 3 Jahresabschlüsse und Steuerbescheide bei Selbstständigen.
Nachweise über sonstige Einkünfte wie Mieteinnahmen oder Kapitalerträge.
Informationen zu geldwerten Vorteilen, z.B. einem Firmenwagen.
Mit diesen Daten lässt sich der Unterhalt exakt berechnen. Doch es gibt auch Fälle, die keine vorherige Aufforderung benötigen.
Sonderbedarf: Wenn unerwartete Kosten rückwirkend anfallen
Eine wichtige Ausnahme stellt der sogenannte Sonderbedarf dar, der unregelmäßige und außergewöhnlich hohe Kosten abdeckt. [2] Solche Ansprüche können auch ohne vorherige Mahnung geltend gemacht werden. [1] Die Rechtsprechung hat hierfür klare Beispiele definiert:
Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung von über 2.000 €. [5]
Eine unvorhergesehene, teure Klassenfahrt von 500 €. [1]
Kosten für die Säuglingserstausstattung, oft pauschal mit 1.000 € angesetzt. [5]
Plötzlich notwendige Nachhilfestunden aufgrund einer Erkrankung. [4]
Der Anspruch auf Sonderbedarf muss innerhalb eines Jahres nach seiner Entstehung geltend gemacht werden. [2] Ansonsten verfällt er. Ein spezialisierter Anwalt für Kindesunterhalt kann prüfen, ob die Kosten als Sonderbedarf gelten. Diese Ausnahme ist jedoch eng begrenzt und deckt nicht alle Extrakosten ab.
Die Uhr tickt: Verjährungsfristen für Unterhaltsansprüche nicht verpassen
Auch wenn Sie einen Anspruch auf rückwirkenden Unterhalt haben, müssen Sie die Verjährungsfristen beachten. Laufende Unterhaltsansprüche verjähren in der Regel nach drei Jahren. [5] Die Frist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Ein Anspruch aus Mai 2022 verjährt also am 31. Dezember 2025. [5] Eine Ausnahme besteht für titulierte Ansprüche, also solche, die gerichtlich oder durch eine Jugendamtsurkunde festgestellt wurden. Diese verjähren erst nach 30 Jahren. [6] Für minderjährige Kinder ist die Verjährung bis zur Volljährigkeit gehemmt und beginnt erst mit dem 18. Geburtstag zu laufen, sodass der Anspruch erst mit dem 21. Geburtstag verjährt. [5] Ein Fachanwalt für Familienrecht hilft Ihnen, die Fristen im Blick zu behalten. Die Einhaltung dieser Fristen ist entscheidend für die erfolgreiche Durchsetzung.
Ihre Checkliste: In 4 Schritten zum rückwirkenden Unterhalt
Um Kindesunterhalt für die Vergangenheit geltend zu machen, ist ein strukturiertes Vorgehen entscheidend. Mit den folgenden vier Schritten sichern Sie Ihre Ansprüche effektiv und rechtssicher. Diese Maßnahmen bilden die Grundlage für jede erfolgreiche Nachforderung.
Auskunft verlangen: Fordern Sie den unterhaltspflichtigen Elternteil nachweislich per Einwurf-Einschreiben zur Auskunft über sein Einkommen und Vermögen auf. Dies ist der erste und wichtigste Schritt zur Sicherung Ihrer Ansprüche. [1]
Anspruch beziffern: Sobald die Auskünfte vorliegen, berechnen Sie den konkreten Unterhaltsanspruch. Fordern Sie den Pflichtigen schriftlich zur Zahlung des exakten Betrags auf. [3]
Fristen prüfen: Stellen Sie sicher, dass Ihre Ansprüche nicht älter als drei Jahre sind oder eine Verjährungshemmung greift. Bei Ansprüchen, die weiter zurückliegen, ist eine Durchsetzung meist nicht mehr möglich. [5]
Rechtliche Hilfe suchen: Zögern Sie nicht, uns bei braun-legal zu kontaktieren. Wir stellen sicher, dass alle Schritte korrekt ausgeführt werden und setzen Ihre Forderungen notfalls gerichtlich durch. Ein persönliches Beratungsgespräch schafft hier schnell Klarheit.
Literatur
FAQ
Welche Schritte sind notwendig, um Kindesunterhalt rückwirkend zu fordern?
Zuerst müssen Sie den Unterhaltspflichtigen nachweislich zur Auskunft über sein Einkommen auffordern oder ihn mit einem bezifferten Betrag in Verzug setzen. Sobald die Informationen vorliegen, wird der Anspruch berechnet und eingefordert, notfalls gerichtlich. Beachten Sie dabei die dreijährige Verjährungsfrist.
Kann ich auch ohne Anwalt rückwirkend Unterhalt fordern?
Theoretisch ja, aber die rechtlichen Anforderungen sind hoch. Formfehler bei der Mahnung oder der Auskunftsaufforderung können den gesamten rückwirkenden Anspruch zunichtemachen. Die anwaltliche Beratung durch unsere Experten bei braun-legal stellt sicher, dass Ihre Forderung rechtssicher ist.
Was gilt als Sonderbedarf und wie fordere ich ihn ein?
Als Sonderbedarf gelten unvorhersehbare, hohe Kosten wie für eine kieferorthopädische Behandlung oder die Erstausstattung eines Säuglings. Sie können diesen Betrag innerhalb eines Jahres nach Entstehung direkt einfordern, auch ohne vorherige Mahnung. Wir helfen Ihnen bei der Prüfung und Durchsetzung.
Was ist, wenn der Unterhaltspflichtige unbekannt verzogen ist?
Wenn der Aufenthalt des Pflichtigen unbekannt ist und dies der Grund für die verspätete Forderung ist, können Sie den Unterhalt nach § 1613 Abs. 2 BGB auch für die Vergangenheit fordern, sobald der Aufenthalt ermittelt wurde. Dies gilt als tatsächlicher Hinderungsgrund.
Beginnt die Verjährung für den Unterhalt meines minderjährigen Kindes sofort?
Nein, die Verjährung ist für die Dauer der Minderjährigkeit gehemmt. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt erst mit dem 18. Geburtstag des Kindes zu laufen und endet somit mit dem 21. Geburtstag.
Wie kann braun-legal mir bei der Forderung von rückwirkendem Unterhalt helfen?
Wir bei braun-legal verbinden Sie mit einem erfahrenen Anwalt für Familienrecht. Dieser prüft Ihren Fall, setzt die notwendigen Schreiben rechtssicher auf, berechnet die exakte Höhe der Nachforderung und vertritt Ihre Interessen konsequent, falls eine gerichtliche Klärung notwendig wird. Vereinbaren Sie einfach einen persönlichen Beratungstermin.