Erbstreit-Kosten: Wer zahlt den Anwalt, wenn es vor Gericht geht?
Mandant A dachte, sein Sieg vor Gericht sei sicher, doch am Ende trug er 50 % der Kosten. Ein komplizierter Erbschaftsstreit kann teuer werden, aber wer genau zahlt die Rechnung? Wir erklären die Regeln und wie Sie unerwartete Kostenfallen vermeiden.
Das Thema kurz und kompakt
Grundsätzlich gilt: Die im Prozess unterlegene Partei zahlt alle Kosten (§ 91 ZPO), doch im Erbrecht gibt es viele Ausnahmen.
Bei einem Teilerfolg werden die Kosten oft prozentual geteilt, sodass auch der „Gewinner“ einen erheblichen Teil tragen muss.
Der Streitwert (Wert des beanspruchten Erbteils) ist die Basis für die Berechnung aller Gerichts- und Anwaltsgebühren.
Ein Todesfall in der Familie ist emotional belastend. Kommt es danach zu einem gerichtlichen Streit über das Erbe, verschärft die Sorge vor hohen Anwalts- und Gerichtskosten die Situation für alle Beteiligten. Die Frage, wer die Anwaltskosten bei einem komplizierten Erbschaftsstreit vor Gericht trägt, ist zentral. Viele gehen vom Prinzip „Wer verliert, zahlt“ aus, doch im Erbrecht gibt es zahlreiche Ausnahmen. Dieser Beitrag schlüsselt die Kostenverteilung nach deutschem Recht auf, erklärt die entscheidende Rolle des Streitwerts und zeigt Ihnen, wie Sie Ihr Kostenrisiko aktiv steuern können.
Das Grundprinzip: Wer verliert, zahlt die gesamten Prozesskosten
Im deutschen Zivilprozessrecht gilt grundsätzlich die Regel des § 91 Zivilprozessordnung (ZPO): Die unterlegene Partei trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits. [6] Das umfasst nicht nur die eigenen Anwaltsgebühren, sondern auch die des Gegners und die anfallenden Gerichtskosten. Verklagen Sie beispielsweise einen Miterben auf Herausgabe eines Nachlassgegenstandes im Wert von 50.000 € und das Gericht weist Ihre Klage vollständig ab, müssen Sie mit Gesamtkosten von über 10.000 € rechnen. Die Höhe der Kosten richtet sich dabei immer nach dem sogenannten Streitwert, also dem finanziellen Wert Ihrer Forderung. [2] Eine professionelle Einschätzung der Kosten eines Erbrechtsanwalts ist daher schon vor dem ersten Schritt entscheidend. Doch nur selten endet ein Prozess mit einem 100-prozentigen Sieg oder einer vollständigen Niederlage.
Die Realität im Erbprozess: Kostenquotelung bei teilweisem Erfolg
Häufiger als ein vollständiger Sieg ist bei einem Erbstreit ein Teilerfolg. In solchen Fällen teilt das Gericht die Kosten nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens auf (§ 92 ZPO). Fordern Sie beispielsweise einen Pflichtteil von 80.000 €, das Gericht spricht Ihnen aber nur 40.000 € zu, haben Sie zu 50 % gewonnen und zu 50 % verloren. Konsequenterweise werden die gesamten Prozesskosten – also Ihre Anwaltskosten, die des Gegners und die Gerichtskosten – hälftig geteilt. Obwohl Sie also 40.000 € erstritten haben, müssen Sie einen erheblichen Teil der Verfahrenskosten von mehreren tausend Euro selbst tragen. Diese Kostenquote ist eine der häufigsten Ursachen für unerwartete finanzielle Belastungen nach einem Urteil. Suchen Sie daher frühzeitig Hilfe bei Erbstreitigkeiten, um Ihre Erfolgschancen realistisch bewerten zu lassen. Es gibt jedoch Situationen, in denen Gerichte noch stärker von der reinen Erfolgsquote abweichen.
Richterliches Ermessen: Wann Gerichte die Kosten anders verteilen
Das Gericht kann die Kostenverteilung nach „billigem Ermessen“ anpassen, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. [1] Dies ist gerade in Nachlasssachen, die oft von familiären Beziehungen und unklaren Testamenten geprägt sind, keine Seltenheit. [2] Ein wichtiger Faktor ist die Ursache des Streits. Hier sind einige Gründe für eine abweichende Kostenentscheidung:
Unklares Testament: Hat der Erblasser durch ein missverständliches oder fehlerhaftes Testament den Streit erst verursacht, kann das Gericht die Kosten dem Nachlass auferlegen oder unter den Erben aufteilen, unabhängig vom Prozessausgang.
Sofortiges Anerkenntnis (§ 93 ZPO): Verklagen Sie jemanden, der den Anspruch sofort anerkennt und zuvor keinen Anlass zur Klage gegeben hat, müssen Sie als Kläger die gesamten Kosten tragen.
Verschulden einer Partei: Verursacht eine Partei unnötige Kosten, etwa durch verspätetes Vorbringen von Beweismitteln, können ihr diese spezifischen Kosten auferlegt werden, selbst wenn sie den Prozess gewinnt.
Diese Ausnahmen zeigen, wie wichtig eine strategische Prozessführung ist, um nicht trotz eines Teilerfolgs auf hohen Kosten sitzen zu bleiben, etwa wenn Sie ein Testament anfechten wollen. Eine besondere Kostenregelung gilt zudem für Konflikte innerhalb einer Erbengemeinschaft.
Sonderfall Erbengemeinschaft: Interne Konflikte und die Teilungsklage
Streiten die Mitglieder einer Erbengemeinschaft untereinander, zum Beispiel über die Verwaltung oder die Auseinandersetzung des Nachlasses, gelten spezielle Regeln. Bei einer Erbauseinandersetzungsklage (Teilungsklage) werden die Gerichtskosten oft als Nachlassverbindlichkeiten behandelt. [4] Das bedeutet, sie werden direkt aus dem ungeteilten Nachlass bezahlt, bevor die verbleibende Summe an die Erben verteilt wird. Im Ergebnis tragen also alle Miterben die Gerichtskosten entsprechend ihrer Erbquote mit, auch wenn sie dem Verfahren gar nicht zustimmen. Die Anwaltskosten muss hingegen zunächst jeder Miterbe selbst tragen. [4] Nur wenn ein Anwalt im Interesse und mit Mandat aller Erben handelt, können seine Kosten ebenfalls aus dem Nachlass beglichen werden. [2] Eine Teilungsklage als letzte Option kann so das Erbe für alle Beteiligten empfindlich schmälern. Umso wichtiger ist es, das Kostenrisiko von Anfang an zu kontrollieren.
Kostenrisiko aktiv steuern: 4 Strategien zur finanziellen Absicherung
Die Ungewissheit über die Kostenverteilung ist eine der größten Belastungen bei einem Erbstreit. Sie können Ihr finanzielles Risiko jedoch durch proaktives Handeln deutlich reduzieren. Wir empfehlen Ihnen, die folgenden vier Punkte sorgfältig zu prüfen:
Außergerichtliche Einigung suchen: Eine Mediation oder ein anwaltlich moderierter Vergleich ist fast immer günstiger als ein Gerichtsverfahren. Oft lassen sich so über 75 % der potenziellen Prozesskosten einsparen.
Rechtsschutzversicherung prüfen: Viele Standardpolicen schließen Erbrecht aus. Überprüfen Sie Ihre Versicherungsbedingungen genau oder fragen Sie nach einem speziellen Baustein für Erbrechtsschutz.
Prozesskostenhilfe (PKH) beantragen: Wenn Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse begrenzt sind, können Sie staatliche Unterstützung für die Gerichts- und Anwaltskosten beantragen. Voraussetzung ist, dass Ihre Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Realistische Forderungen definieren: Ein überhöhter Anspruch treibt den Streitwert und damit das Kostenrisiko in die Höhe. Eine fundierte Beratung im Erbrecht hilft, realistische Ziele zu setzen.
Ein klares Verständnis der Gebührenstruktur ist der erste Schritt zur Kostenkontrolle.
Die Kosten im Detail: So setzen sich Anwalts- und Gerichtsgebühren zusammen
Die Kosten eines gerichtlichen Erbstreits basieren auf zwei gesetzlichen Regelwerken: dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und dem Gerichtskostengesetz (GKG). [1] Beide orientieren sich am Streitwert. Bei einem Streitwert von 250.000 € betragen allein die Gerichtskosten für die erste Instanz rund 5.500 €. Die Anwaltskosten für eine Partei können bei diesem Wert schnell 8.000 € bis 10.000 € erreichen. [1] Verlieren Sie den Prozess vollständig, summieren sich die Kosten (eigener Anwalt, gegnerischer Anwalt, Gericht) auf über 21.000 €. Viele vergessen zusätzliche Ausgaben, wie zum Beispiel Kosten für ein Sachverständigengutachten zur Immobilienbewertung, die leicht weitere 3.000 € bis 7.000 € betragen können. Diese Zahlen verdeutlichen, warum die korrekte Bezifferung von Ansprüchen, wie etwa beim Einfordern des Pflichtteils, so entscheidend ist. Angesichts dieser Summen ist professionelle Unterstützung unerlässlich.
Die Frage, wer die Anwaltskosten bei einem komplizierten Erbschaftsstreit vor Gericht trägt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Entscheidung hängt vom Prozessausgang, richterlichem Ermessen und der Art des Konflikts ab. Eine frühzeitige und ehrliche Analyse Ihres Falles ist der beste Weg, um Kostenrisiken zu erkennen und eine fundierte Entscheidung zu treffen. Wir bei braun-legal beraten Sie nicht nur über die Rechtslage, sondern entwickeln mit Ihnen eine persönliche Strategie. Wir verbinden Sie direkt mit einem erfahrenen Anwalt, der Ihnen eine realistische Einschätzung Ihrer Situation gibt und prüft, ob zum Beispiel eine Klage auf den Pflichtteil für Enterbte sinnvoll ist. Eine Erstberatung kann Ihnen helfen, Ihre Position zu verstehen und die richtigen Weichen zu stellen, bevor hohe Kosten entstehen.
Literatur
[[2]]: Kosten eines Gerichtsverfahrens im Erbrecht: https://www.erbrecht-ratgeber.de/erbrecht/kosten/kosten_03.html
[[3]]: Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG): https://www.gesetze-im-internet.de/rvg/
[[4]]: Erbstreit Anwaltskosten: https://rechtsanwaelte-gsp.de/2023/04/25/erbstreit-anwaltskosten/
[[5]]: Kanzlei BDPE: https://bdpe.de/en/startseite-english/
[[6]]: § 91 ZPO - Grundsatz der Kostentragungspflicht: https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__91.html
[[7]]: § 92 ZPO - Kosten bei sofortigem Anerkenntnis: https://www.gesetze-im-internet.de/zpo/__92.html
[[8]]: § 81 FamFG - Gesetz im Internet: https://www.gesetze-im-internet.de/famfg/__81.html
FAQ
Deckt meine Rechtsschutzversicherung einen Erbstreit ab?
Standard-Rechtsschutzversicherungen decken Erbrecht oft nicht oder nur für eine Erstberatung ab. Es gibt jedoch spezielle Zusatzbausteine oder Premium-Tarife, die auch gerichtliche Erbstreitigkeiten umfassen. Prüfen Sie Ihre Police genau oder fragen Sie bei Ihrer Versicherung nach.
Was ist der Streitwert in einem Erbschaftsstreit?
Der Streitwert ist der finanzielle Wert des Anspruchs, um den gestritten wird. Bei einer Klage auf einen Erbteil ist es die Höhe dieses Anteils. Bei einer Testamentsanfechtung ist es der Wert, den der Kläger durch die Anfechtung gewinnen würde. Der Streitwert ist die Berechnungsgrundlage für alle Gerichts- und Anwaltsgebühren.
Kann ich für einen Erbstreit Prozesskostenhilfe beantragen?
Ja, wenn Sie die Kosten für einen Prozess nachweislich nicht aufbringen können und Ihr Fall hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, können Sie Prozesskostenhilfe (PKH) beantragen. Der Staat übernimmt dann je nach Ihren finanziellen Verhältnissen die Kosten ganz oder verlangt eine Rückzahlung in Raten.
Was ist der Unterschied zwischen Gerichts- und Anwaltskosten?
Gerichtskosten sind Gebühren, die das Gericht für seine Tätigkeit erhebt (z.B. für die Durchführung des Verfahrens). Anwaltskosten sind die Vergütung, die Ihr Anwalt für seine Beratung und Vertretung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) erhält. Im Falle einer Niederlage vor Gericht müssen Sie in der Regel beides tragen – auch die Anwaltskosten der Gegenseite.
Wie kann ich einen teuren Erbstreit vor Gericht vermeiden?
Der beste Weg ist eine außergerichtliche Einigung. Ein erfahrener Anwalt kann als Mediator auftreten oder einen Vergleich zwischen den Parteien aushandeln. Dies spart nicht nur erhebliche Kosten, sondern schont auch die familiären Beziehungen und führt in der Regel viel schneller zu einem Ergebnis.
Was bedeutet 'Kostenaufhebung' im Urteil?
Kostenaufhebung bedeutet, dass die Gerichtskosten geteilt werden (meist hälftig) und jede Partei ihre eigenen außergerichtlichen Kosten (insbesondere die eigenen Anwaltskosten) selbst trägt. Dies wird oft bei Vergleichen oder bei unklarem Prozessausgang angeordnet.