Patientenverfügung: Diese Formulierungen sind für Ärzte wirklich bindend
Ein Mandant kam zu uns, nachdem die unklare Patientenverfügung seiner Mutter zu monatelangen familiären Konflikten und ungewollten Behandlungen führte. Ein einziges unpräzises Wort kann Ihren Willen unwirksam machen. Wir zeigen Ihnen, welche Formulierungen in einer Patientenverfügung wirklich bindend und unmissverständlich sind, damit Ihnen das nicht passiert.
Das Thema kurz und kompakt
Allgemeine Formulierungen wie „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ sind laut BGH-Urteilen rechtlich unwirksam und machen Ihre Patientenverfügung angreifbar.
Ihre Behandlungswünsche müssen immer mit konkreten medizinischen Situationen verknüpft sein (z. B. „Im Endstadium einer unheilbaren Krankheit wünsche ich keine künstliche Beatmung“).
Die Hinterlegung Ihrer Verfügung im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer stellt sicher, dass sie im Notfall von Ärzten und Gerichten gefunden wird.
Stellen Sie sich vor, Sie können Ihre Wünsche nicht mehr äußern. Ihre Patientenverfügung soll sicherstellen, dass Ärzte in Ihrem Sinne handeln. Doch seit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2016 sind schätzungsweise über 70 % der bestehenden Verfügungen rechtlich angreifbar. Allgemeine Phrasen wie „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ sind praktisch wertlos. Damit Ihr Selbstbestimmungsrecht gewahrt bleibt, müssen Ihre Anweisungen konkret, eindeutig und auf spezifische medizinische Situationen bezogen sein. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie Ihre Patientenverfügung so formulieren, dass sie einer rechtlichen Prüfung standhält und Ihr Wille zweifelsfrei umgesetzt wird.
Das Fundament Ihrer Selbstbestimmung: § 1901a BGB und die BGH-Urteile
Die gesetzliche Grundlage für jede Patientenverfügung ist § 1901a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser Paragraph verankert Ihr Recht, medizinische Behandlungen für den Fall Ihrer Einwilligungsunfähigkeit im Voraus abzulehnen oder zu gestatten. Ein wegweisendes BGH-Urteil (Az. XII ZB 61/16) stellte 2016 jedoch klar, dass die Anforderungen hoch sind. Allgemeine Anweisungen genügen seither nicht mehr, was viele ältere Dokumente unwirksam machte.
Die Richter des BGH forderten, dass die Verfügung konkret genug sein muss, um Ärzten und Ihrem Bevollmächtigten eine klare Handlungsanweisung für eine bestimmte Situation zu geben. Pauschale Aussagen wie „ein würdevolles Sterben ermöglichen“ sind für eine bindende Wirkung nicht ausreichend. Ohne diese Präzision wird im Zweifel nach dem „mutmaßlichen Willen“ entschieden, was zu familiären Streitigkeiten und ungewollten Behandlungen führen kann. Eine rechtssichere Patientenverfügung vom Anwalt ist daher kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.
Diese richterliche Klarstellung zwingt jeden, die eigenen Vorsorgedokumente auf den Prüfstand zu stellen.
Von unklar zu unmissverständlich: Konkrete Situationen statt allgemeiner Phrasen
Der häufigste Fehler in Patientenverfügungen ist die fehlende Verknüpfung von Behandlungswunsch und medizinischer Situation. Eine Anweisung ist nur dann bindend, wenn sie sich auf einen klar definierten Zustand bezieht. Statt also nur zu schreiben, was Sie ablehnen, müssen Sie beschreiben, *wann* diese Ablehnung gelten soll. Ein Unterschied von 100 % in der rechtlichen Durchsetzbarkeit hängt an dieser Verknüpfung.
Anstatt vager Formulierungen sollten Sie präzise Lebens- und Behandlungssituationen benennen. Hier sind 4 Beispiele für konkrete Situationen, die Sie als Grundlage nutzen können:
Ich befinde mich im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit, auch wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist.
Infolge einer schweren Gehirnschädigung (z. B. durch Unfall, Schlaganfall) ist meine Fähigkeit zur Kommunikation und Interaktion mit meiner Umwelt nach ärztlicher Einschätzung unwiederbringlich erloschen.
Ich leide an einem fortgeschrittenen demenziellen Syndrom, sodass ich meine Angehörigen und engsten Vertrauten nicht mehr erkenne.
Ich liege im Koma oder einem Zustand dauerhafter Bewusstlosigkeit (Wachkoma), ohne realistische Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins.
Erst wenn Sie mindestens eine dieser Situationen festgelegt haben, werden Ihre weiteren Anweisungen zu Behandlungen wirksam. Mit einer professionellen Beratung zur Patientenverfügung stellen Sie sicher, dass diese entscheidenden Details korrekt formuliert sind.
Durch diese Struktur geben Sie Ärzten eine klare Ja/Nein-Entscheidungsgrundlage für definierte Szenarien.
Lebenserhaltende Maßnahmen: Was Sie konkret ablehnen oder wünschen müssen
Nachdem Sie die Situationen definiert haben, müssen Sie die medizinischen Maßnahmen benennen. Eine pauschale Ablehnung von „lebenserhaltenden Maßnahmen“ ist rechtlich unwirksam. Sie müssen stattdessen jede Maßnahme einzeln aufführen und Ihren Willen dazu äußern. Nur so ist für Ärzte und Bevollmächtigte klar, was zu tun ist.
Für die zuvor genannten Situationen können Sie beispielsweise folgende Festlegungen treffen:
Künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr: Ich wünsche den Verzicht auf künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr (z. B. über eine Magensonde). Die Linderung von Hunger- und Durstgefühlen durch Mundpflege soll jedoch sichergestellt werden.
Wiederbelebung (Reanimation): Ich untersage die Durchführung von Maßnahmen zur Wiederbelebung.
Künstliche Beatmung: Ich wünsche den Verzicht auf die Einleitung oder Fortführung einer künstlichen Beatmung. Eine bereits begonnene Beatmung ist zu beenden, wobei eine medikamentöse Linderung der Atemnot gewährleistet sein muss.
Gabe von Antibiotika oder Bluttransfusionen: Ich wünsche die Gabe dieser Mittel nur, wenn sie der Linderung meiner Beschwerden dienen (palliative Indikation), nicht aber zur Lebensverlängerung.
Diese präzisen Anweisungen sind der Kern einer jeden wirksamen Verfügung. Eine sinnvolle Ergänzung ist die Kombination mit einer Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung, um eine Vertrauensperson mit der Durchsetzung zu beauftragen.
Neben diesen Festlegungen können auch Ihre persönlichen Werte eine wichtige Rolle spielen.
Ihre Werte als Handlungsanweisung für Zweifelsfälle
Was passiert, wenn eine Situation eintritt, die Sie nicht exakt beschrieben haben? Für solche Fälle hat der BGH in einem Urteil von 2018 (Az. XII ZB 107/18) die Bedeutung von persönlichen Wertvorstellungen gestärkt. Ein eigener Abschnitt über Ihre Überzeugungen dient als wichtige Interpretationshilfe für Ärzte und Bevollmächtigte. Hier können Sie erklären, was für Sie Lebensqualität bedeutet und warum Sie bestimmte Behandlungen ablehnen.
Beschreiben Sie zum Beispiel, unter welchen Umständen ein Leben für Sie nicht mehr lebenswert wäre. Solche Ausführungen können das Zünglein an der Waage sein, wenn Ihr Bevollmächtigter Ihren mutmaßlichen Willen ermitteln muss. Sie geben Ihren rein juristischen Anweisungen einen persönlichen und menschlichen Kontext. Eine Betreuungsverfügung kann hier ebenfalls Klarheit schaffen, wer Ihre Werte vertreten soll.
Diese persönlichen Notizen machen Ihre Verfügung noch robuster und helfen, Ihren Willen auch in unvorhergesehenen Szenarien durchzusetzen.
Gültigkeit und Auffindbarkeit: Aktualisierung und Hinterlegung optimieren
Eine einmal erstellte Patientenverfügung ist unbegrenzt gültig und muss nicht erneuert werden. Dennoch empfiehlt es sich, das Dokument alle 1-2 Jahre erneut mit Datum und Unterschrift zu bestätigen. Dies bekräftigt Ihren aktuellen Willen und entkräftet mögliche Zweifel, dass Sie Ihre Meinung geändert haben könnten. Eine solche Bestätigung erhöht die Akzeptanz bei Ärzten um ein Vielfaches.
Doch die beste Verfügung ist nutzlos, wenn sie im Notfall nicht gefunden wird. Die Hinterlegung im Zentralen Vorsorgeregister (ZVR) der Bundesnotarkammer stellt sicher, dass jedes Betreuungsgericht und seit 2023 auch Ärzte das Dokument 24/7 abrufen können. Ende 2022 waren dort bereits fast 5,7 Millionen Vorsorgedokumente registriert. Die geringe Gebühr für die Registrierung ist eine Investition, die im Ernstfall über die Umsetzung Ihres Willens entscheidet. Mit der Hinterlegung im Vorsorgeregister schließen Sie die letzte Lücke in Ihrer Vorsorgekette.
Wenn alle Stricke reißen und keine Vorsorge existiert, wird ein gerichtlicher Betreuer bestellt.
Wenn keine Vorsorge existiert: Die Konsequenzen fehlender Dokumente
Existiert weder eine Patientenverfügung noch eine Vorsorgevollmacht, bestellt das Betreuungsgericht einen gesetzlichen Betreuer. Entgegen einem weit verbreiteten Irrtum sind Ehepartner oder Kinder nicht automatisch vertretungsberechtigt. Im Jahr 2023 gab es in Deutschland rund 1,2 Millionen laufende Betreuungsverfahren. Ein gerichtlich bestellter Betreuer, oft eine fremde Person, entscheidet dann über medizinische Behandlungen auf Basis Ihres mutmaßlichen Willens.
Die Ermittlung dieses Willens ist oft ein langwieriger Prozess, der Angehörige und Ärzte vor große Herausforderungen stellt. Ohne klare schriftliche Anweisungen besteht das Risiko, dass Behandlungen durchgeführt werden, die Sie niemals gewollt hätten. Die wenigen Minuten, die Sie heute in eine klare Verfügung investieren, ersparen Ihren Liebsten im Ernstfall eine enorme Belastung. Eine umfassende Vorsorgeberatung schützt Sie und Ihre Familie vor diesem Szenario.
Der sicherste Weg, um Fremdbestimmung zu vermeiden, ist die professionelle Erstellung Ihrer Vorsorgedokumente.
Mustervorlagen aus dem Internet können eine erste Orientierung bieten, bergen aber erhebliche Risiken. Über 90 % dieser Gratis-Formulare berücksichtigen die strengen BGH-Anforderungen nicht ausreichend und sind im Ernstfall angreifbar. Nur eine individuelle, anwaltlich erstellte Patientenverfügung gibt Ihnen die Sicherheit, dass Ihr Wille zu 100 % respektiert wird.
Wir bei braun-legal verstehen, dass es hier um mehr als nur juristische Klauseln geht – es geht um Ihr Leben und Ihre Würde. Wir verbinden Sie persönlich mit erfahrenen Anwälten für Vorsorgerecht. Diese Experten übersetzen Ihre persönlichen Wünsche und Werte in eine unmissverständliche und rechtssichere Sprache, die keinen Raum für Interpretationen lässt. So stellen Sie sicher, dass Ihre Verfügung nicht nur ein Stück Papier ist, sondern ein wirksames Instrument Ihrer Selbstbestimmung.
Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Ihre Wünsche Gehör finden, wenn es darauf ankommt.
Literatur
[[1]]: Zentrales Vorsorgeregister: https://www.vorsorgeregister.de/
[[2]]: braun-legal: https://www.braun-legal.de/
[[3]]: BGH-Urteil zur Patientenverfügung: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Art=pm&Gericht=bgh&pm_nummer=0185/18
[[4]]: Patientenverfügung des Bundesgesundheitsministeriums: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/patientenverfuegung.html
[[5]]: Patientenverfügung: Grundlagen und Hinweise: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/patientenverfuegung.html
FAQ
Warum ist die Formulierung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen“ in einer Patientenverfügung unzureichend?
Diese Formulierung ist laut Bundesgerichtshof zu allgemein. Sie definiert nicht, welche Maßnahmen (z. B. Beatmung, künstliche Ernährung, Dialyse) in welcher konkreten Situation (z. B. Koma, Demenz im Endstadium) gemeint sind. Ärzte benötigen eine präzise Anweisung, um rechtssicher handeln zu können.
Muss ich meine Patientenverfügung notariell beurkunden lassen?
Nein, eine notarielle Beurkundung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die Patientenverfügung muss lediglich schriftlich verfasst und von Ihnen eigenhändig unterschrieben sein. Eine anwaltliche Beratung wird jedoch dringend empfohlen, um die rechtliche Wirksamkeit sicherzustellen.
Was ist der Unterschied zwischen einer Patientenverfügung und einer Vorsorgevollmacht?
Die Patientenverfügung legt fest, *welche* medizinischen Behandlungen Sie wünschen oder ablehnen. Die Vorsorgevollmacht benennt eine Person, *die* Ihren Willen durchsetzen und weitere Entscheidungen für Sie treffen soll. Beide Dokumente ergänzen sich und sorgen für eine lückenlose Absicherung.
Was passiert, wenn meine Patientenverfügung nicht konkret genug ist?
Ist die Verfügung unklar, müssen Ärzte und Ihr gesetzlicher Vertreter (Betreuer oder Bevollmächtigter) Ihren mutmaßlichen Willen ermitteln. Dies geschieht auf Basis früherer Äußerungen oder Ihrer Wertvorstellungen. Dieser Prozess ist oft schwierig und kann zu Ergebnissen führen, die nicht Ihrem tatsächlichen Wunsch entsprechen.
Sollte ich meine Wertvorstellungen in die Patientenverfügung aufnehmen?
Ja, das ist sehr empfehlenswert. Ein Abschnitt über Ihre persönlichen Werte, Ihre Einstellung zum Leben und zur Lebensqualität dient als wichtige Interpretationshilfe für den Fall, dass eine Situation eintritt, die Sie nicht exakt beschrieben haben. Dies stärkt die Durchsetzungskraft Ihres Willens.
Wie stelle ich sicher, dass meine Patientenverfügung im Notfall beachtet wird?
Bewahren Sie das Original an einem leicht zugänglichen Ort auf und informieren Sie Ihre Vertrauenspersonen darüber. Am sichersten ist die Registrierung im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer. Gerichte und Ärzte können dort rund um die Uhr abfragen, ob eine Verfügung existiert.