Versorgungsausgleich bei Scheidung ausschließen: So sichern Sie Ihre Rente bei kurzer Ehe oder grober Unbilligkeit
Ein Mandant sparte durch einen Antrag auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs über 200 € seiner zukünftigen Monatsrente. Ein solcher Ausschluss ist kein Automatismus, sondern erfordert gezieltes Handeln. Dieser Beitrag zeigt Ihnen, unter welchen zwei zentralen Voraussetzungen Sie den sonst obligatorischen Rentenausgleich bei einer Scheidung legal vermeiden können.
Das Thema kurz und kompakt
Bei einer Ehe von bis zu drei Jahren findet ein Versorgungsausgleich nur auf Antrag eines Ehegatten statt; andernfalls entfällt er.
Der Versorgungsausgleich kann bei grober Unbilligkeit ausgeschlossen werden, etwa bei sehr langer Trennungszeit oder schwerem Fehlverhalten.
Ein Ehevertrag oder eine Scheidungsfolgenvereinbarung ermöglichen es, den Versorgungsausgleich individuell zu regeln oder auszuschließen.
Die Scheidung ist oft eine Zäsur, die weitreichende finanzielle Folgen hat. Ein wesentlicher, aber oft unterschätzter Faktor ist der Versorgungsausgleich – die Teilung aller während der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften. In über 90 % der Scheidungsverfahren wird dieser Ausgleich standardmäßig durchgeführt. Doch es gibt Ausnahmen. Unter bestimmten Umständen, wie einer Ehedauer von unter drei Jahren oder bei grober Unbilligkeit, können Sie den Versorgungsausgleich bei der Scheidung wegen geringer Ehezeit oder aus Billigkeitsgründen ausschließen lassen. Wir erklären Ihnen, wie Sie Ihre Rentenansprüche schützen und was das konkret für Sie bedeutet.
Grundlagen verstehen: Was der Versorgungsausgleich für Ihre Finanzen bedeutet
Bei einer Scheidung werden grundsätzlich alle in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften auf Altersversorgung hälftig geteilt. [2] Dies betrifft gesetzliche Rentenpunkte, Betriebsrenten und private Vorsorgeverträge. Die Ehezeit beginnt am ersten Tag des Monats der Eheschließung und endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags. [1] Ziel ist es, eine gerechte Teilhabe an der gemeinsam erbrachten Lebensleistung sicherzustellen. Doch dieser Grundsatz der Halbteilung ist nicht in jedem Fall unumstößlich. Das Gesetz selbst sieht in § 3 Abs. 3 und § 27 des Versorgungsausgleichsgesetzes (VersAusglG) klare Ausnahmen vor. Diese Regelungen sind entscheidend, wenn die Durchführung des Ausgleichs zu einem ungerechten Ergebnis führen würde.
Chance bei kurzer Ehe: Der Ausschluss nach § 3 Abs. 3 VersAusglG
Eine der wichtigsten Ausnahmen betrifft Ehen von kurzer Dauer. [2] Als kurz gilt eine Ehe, die bis zur Zustellung des Scheidungsantrags nicht länger als drei Jahre gedauert hat. [1] In einem solchen Fall findet der Versorgungsausgleich nicht automatisch statt. Er wird nur durchgeführt, wenn einer der beiden Ehegatten dies ausdrücklich beim Familiengericht beantragt. [3] Verzichten beide Parteien auf einen Antrag, entfällt der Ausgleich komplett, was beiden Seiten erhebliche Verwaltungskosten und zukünftige Rentenverluste ersparen kann. Für die Prüfung dieser Option ist eine genaue Analyse im Rahmen von Ihrem Scheidungsverfahren unerlässlich. Diese Regelung trägt der Vermutung Rechnung, dass in nur 36 Monaten noch keine nennenswerte gemeinsame Versorgungsgemeinschaft entstanden ist. [5] Doch was passiert, wenn die Ehe länger dauerte, die Teilung aber dennoch ungerecht erscheint?
Gerechtigkeit im Einzelfall: Wann ein Ausgleich grob unbillig ist (§ 27 VersAusglG)
Auch bei längeren Ehen kann der Versorgungsausgleich ausgeschlossen werden, wenn seine Durchführung „grob unbillig“ wäre. [3] Dies ist laut § 27 VersAusglG der Fall, wenn das Ergebnis dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widerspricht. [4] Die Hürden hierfür sind hoch, und die Entscheidung hängt von einer Gesamtabwägung aller Umstände ab. [5] Unsere erfahrenen Familienrecht-Experten prüfen solche Fälle genau. In der Rechtsprechung haben sich mehrere Fallgruppen etabliert, in denen eine grobe Unbilligkeit vorliegen kann:
Lange Trennungszeit: Wenn die Eheleute von 20 Ehejahren beispielsweise 15 Jahre getrennt gelebt haben, ist die Versorgungsgemeinschaft faktisch lange aufgehoben. [2]
Verletzung der Unterhaltspflicht: Ein Ehegatte hat über Jahre hinweg keinen oder nur unzureichenden Familienunterhalt geleistet.
Illoyale Rentenminderung: Ein Partner reduziert kurz vor der Scheidung absichtlich sein Einkommen, um die eigenen Rentenanwartschaften und damit den Ausgleichsanspruch des anderen zu schmälern.
Straftaten gegen den Partner: Schwerwiegende Straftaten während der Ehe können ebenfalls einen Ausschluss rechtfertigen.
Wirtschaftliches Fehlverhalten: Ein Partner hat während der Ehe leichtfertig oder spekulativ gemeinsames Vermögen verspielt, das sonst zur Altersvorsorge hätte dienen können.
Diese Beispiele zeigen, dass eine rein schematische Teilung nicht immer zu einem fairen Ergebnis führt.
Aus der Praxis: Gerichtsurteile zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs
Gerichtsentscheidungen verdeutlichen, wann ein Ausschluss möglich ist. Das OLG Oldenburg befasste sich 2024 mit einem Fall, in dem die Eheleute seit Ende 2006 getrennt lebten, die Scheidung aber erst 2022 eingereicht wurde – eine Trennungszeit von über 15 Jahren. [3] Obwohl das Gericht den Ausgleich nicht komplett ausschloss, zeigt der Fall die Relevanz einer langen Trennungszeit bei der Billigkeitsprüfung. In einem anderen Fall, entschieden vom AG München, wurde der Ausgleich ebenfalls geprüft, nachdem ein Partner den Ausschluss wegen grober Unbilligkeit forderte. [1] Der Bundesgerichtshof betont regelmäßig, dass ein Ausschluss eine Ausnahme bleiben muss und eine Gesamtabwägung aller Verhältnisse erfordert. [5] Die Beauftragung eines Fachanwalts für Familienrecht ist daher entscheidend, um die eigene Position fundiert darzulegen. Ein Anwalt kann sicherstellen, dass alle relevanten Fakten, wie zum Beispiel eine 10-jährige Trennungsphase, korrekt gewürdigt werden.
Vorausschauend handeln: Regelungen durch Ehevertrag und Scheidungsfolgenvereinbarung
Der sicherste Weg, Konflikte um den Versorgungsausgleich zu vermeiden, ist eine vertragliche Regelung. Mit einem Ehevertrag vor oder während der Ehe können Paare den Ausgleich individuell gestalten, modifizieren oder sogar komplett ausschließen. [2] Dies ist besonders für Doppelverdiener mit vergleichbaren Einkommen oder Unternehmer sinnvoll. Nach einer Trennung bietet eine notariell beurkundete Scheidungsfolgenvereinbarung dieselbe Möglichkeit. Eine solche Vereinbarung muss jedoch wirksam sein und darf nicht sittenwidrig sein, etwa wenn ein Partner dadurch unangemessen benachteiligt wird. Eine solche Benachteiligung könnte zum Beispiel vorliegen, wenn ein Ehepartner für die Kinderbetreuung 15 Jahre lang auf eine eigene Karriere verzichtet hat. Gerichte können eine solche Vereinbarung im Streitfall auf ihre Angemessenheit überprüfen.
Finanzielle Tragweite: Was der Ausschluss für Ihre monatliche Rente bedeutet
Die Entscheidung für oder gegen den Versorgungsausgleich hat direkte finanzielle Auswirkungen. Ein einziger Rentenpunkt war im Jahr 2024 bereits 39,32 Euro an monatlicher Rente wert. [1] Verliert ein ausgleichspflichtiger Ehepartner beispielsweise 10 während der Ehe erworbene Rentenpunkte, bedeutet das eine Kürzung seiner zukünftigen Rente um fast 400 Euro pro Monat. Dieser Betrag summiert sich über eine Rentenbezugsdauer von 20 Jahren auf fast 95.000 Euro. Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist daher keine Formalie, sondern eine der wichtigsten finanziellen Weichenstellungen bei einer Scheidung. Die genaue Berechnung der Kosten einer Scheidung sollte diese langfristigen Effekte immer berücksichtigen. Es geht darum, die eigene finanzielle Unabhängigkeit im Alter zu sichern.
Die Regelungen zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs sind komplex und erfordern eine genaue Prüfung Ihres Einzelfalls. Ob eine kurze Ehedauer vorliegt oder Gründe für eine grobe Unbilligkeit sprechen, lässt sich nur mit juristischer Expertise sicher bewerten. Wir bei braun-legal beraten Sie persönlich und entwickeln eine Strategie, die Ihre Interessen schützt. In einem ersten Gespräch analysieren wir Ihre Situation, prüfen die Erfolgsaussichten eines Antrags und vertreten Ihre Ansprüche konsequent vor Gericht. Bereits ein erstes Beratungsgespräch kann Ihnen Klarheit über Ihre finanziellen Möglichkeiten verschaffen. Vereinbaren Sie noch heute einen Termin, um Ihre Optionen für eine faire und wirtschaftlich vernünftige Scheidung zu besprechen.
Literatur
[[1]]: Versorgungsausgleichsgesetz § 3: https://www.gesetze-im-internet.de/versausglg/__3.html
[[2]]: Wissenswertes zum Versorgungsausgleich: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/national/geschiedene_wissenswertes_zum_versorgungsausgleich.html
[[3]]: § 27 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG): https://www.gesetze-im-internet.de/versausglg/__27.html
[[4]]: Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit: https://www.haufe.de/id/beitrag/versorgungsausgleich-64-haertefaelle-herabsetzung-und-ausschluss-des-versorgungsausgleichs-aus-billigkeitsgruenden-HI1557724.html
FAQ
Muss ich für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs einen Anwalt beauftragen?
Für den Antrag auf Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei kurzer Ehedauer ist nicht zwingend ein Anwalt nötig, aber sehr zu empfehlen. Um einen Ausschluss wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG zu beantragen, der eine komplexe juristische Argumentation erfordert, ist anwaltliche Vertretung unerlässlich.
Was passiert, wenn mein Ex-Partner dem Ausschluss nicht zustimmt?
Bei einer kurzen Ehe unter drei Jahren muss der Partner, der den Ausgleich wünscht, aktiv einen Antrag stellen. Stimmt er dem Ausschluss nicht zu und stellt einen Antrag, entscheidet das Gericht. Bei der groben Unbilligkeit entscheidet das Gericht auf Antrag einer Partei nach Prüfung aller Umstände, auch gegen den Willen des anderen Partners.
Welche Kosten entstehen durch den Versorgungsausgleich?
Der Versorgungsausgleich erhöht den Verfahrenswert der Scheidung, was zu höheren Gerichts- und Anwaltskosten führt. Diese können, je nach Anzahl und Wert der Anrechte, mehrere hundert bis über tausend Euro betragen. Hinzu kommen die direkten Kosten durch die Teilung der Rentenansprüche selbst.
Kann der Versorgungsausgleich auch nur teilweise ausgeschlossen werden?
Ja, das Gericht kann den Versorgungsausgleich nach § 27 VersAusglG auch nur teilweise ausschließen oder herabsetzen. Dies kann sinnvoll sein, wenn eine vollständige Teilung zwar unbillig wäre, ein kompletter Ausschluss aber den anderen Partner unangemessen benachteiligen würde.
Welche Rolle spielt eigenes Vermögen beim Ausschluss des Versorgungsausgleichs?
Eigenes hohes Vermögen oder Einkommen des ausgleichsberechtigten Partners kann bei der Prüfung der groben Unbilligkeit eine Rolle spielen. Wenn der eigentlich berechtigte Partner bereits über eine exzellente eigene Altersvorsorge verfügt, kann dies ein Argument für den Ausschluss des Ausgleichs sein.
Was ist der Unterschied zwischen dem schuldrechtlichen und dem öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich?
Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich ist der Regelfall, bei dem das Familiengericht die Rentenpunkte direkt teilt (interne Teilung). Der schuldrechtliche Ausgleich greift bei Anrechten, die noch nicht ausgleichsreif sind (z.B. bestimmte Betriebsrenten) und begründet eine schuldrechtliche Ausgleichsforderung, die erst bei Renteneintritt fällig wird.