Unterhalt für volljährige Kinder in Ausbildung: So berechnen Sie den Anspruch korrekt
Ein Mandant zahlte monatlich 150 € zu viel Unterhalt, da die Ausbildungsvergütung seines Sohnes falsch angerechnet wurde. Dieser Fehler kostete ihn über 1.800 € im Jahr. Erfahren Sie, wie Sie solche kostspieligen Fehler bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs für ein volljähriges Kind in der Berufsausbildung vermeiden.
Das Thema kurz und kompakt
Mit Volljährigkeit des Kindes in Ausbildung werden beide Elternteile barunterhaltspflichtig, basierend auf ihrem jeweiligen Einkommen.
Der Unterhaltsbedarf für ein volljähriges Kind mit eigenem Haushalt beträgt 930 € (2024), wovon das volle Kindergeld (250 €) und die bereinigte Ausbildungsvergütung abgezogen werden.
Der Selbstbehalt für Unterhaltspflichtige gegenüber nicht-privilegierten volljährigen Kindern beträgt 1.750 € und schützt das Existenzminimum der Eltern.
Die Volljährigkeit Ihres Kindes beendet die Unterhaltspflicht nicht automatisch. Beginnt Ihr Kind eine Ausbildung oder ein Studium, sind Sie als Eltern weiterhin in der Pflicht, eine angemessene Erstausbildung zu finanzieren. Doch wie hoch ist der Anspruch genau? Mit Eintritt der Volljährigkeit sind beide Elternteile barunterhaltspflichtig, was die Berechnung komplexer macht. Dieser Beitrag führt Sie durch die rechtlichen Grundlagen nach dem BGB, zeigt die Anwendung der Düsseldorfer Tabelle und erklärt, wie Einkommen des Kindes und das Kindergeld den Zahlbetrag um mehrere hundert Euro reduzieren können.
Die rechtliche Grundlage: Wann Eltern über den 18. Geburtstag hinaus zahlen müssen
Die Unterhaltspflicht für Kinder endet nicht abrupt mit dem 18. Geburtstag. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (§ 1610 Abs. 2 BGB) schulden Eltern ihren Kindern eine angemessene, zielstrebige Erstausbildung. [5] Das bedeutet, die finanzielle Unterstützung läuft weiter, bis das Kind einen berufsqualifizierenden Abschluss erreicht hat und wirtschaftlich selbstständig ist. [3] Mit der Volljährigkeit ändert sich eine entscheidende Regel: Beide Elternteile werden barunterhaltspflichtig, unabhängig davon, wo das Kind wohnt. [4] Die bisherige Aufteilung in Betreuungs- und Barunterhalt entfällt vollständig. Die Dauer der Zahlung ist nicht an eine feste Altersgrenze wie 25 Jahre gekoppelt, sondern an den Abschluss der Ausbildung. [5] Diese grundlegende Änderung der Unterhaltspflicht erfordert eine Neuberechnung der Ansprüche.
Schritt für Schritt zum korrekten Betrag: Die Düsseldorfer Tabelle anwenden
Die Düsseldorfer Tabelle ist die zentrale Richtlinie zur Ermittlung der Unterhaltshöhe und wird von nahezu allen Familiengerichten in Deutschland angewendet. [1] Für die Berechnung wird das bereinigte Nettoeinkommen beider Elternteile addiert. Anhand dieser Summe wird die entsprechende Einkommensgruppe in der Tabelle (insgesamt 15 Gruppen) und die Altersstufe des Kindes (für Volljährige die 4. Stufe) bestimmt. [2] Lebt das volljährige Kind nicht mehr im elterlichen Haushalt, gilt ein fester Bedarfssatz von 930 € monatlich (Stand 2024), der bis zu 410 € für Wohnkosten enthält. [3] Wichtig ist der Selbstbehalt, der den Eltern verbleiben muss. Dieser liegt für den Unterhalt gegenüber nicht-privilegierten volljährigen Kindern bei 1.750 € pro Monat für Erwerbstätige. [8] Die korrekte Anwendung dieser Tabelle ist der erste Schritt zur Vermeidung von Über- oder Unterzahlungen, wie sie in unserem Ratgeber zur Düsseldorfer Tabelle detailliert beschrieben wird.
Anrechnung von Einkünften: Wie Kindergeld und Ausbildungsvergütung den Unterhalt reduzieren
Eigene Einkünfte des Kindes mindern dessen Bedürftigkeit und damit den Unterhaltsanspruch. Das Kindergeld in Höhe von 250 € wird bei volljährigen Kindern vollständig auf den Unterhaltsbedarf angerechnet. [6] Erhält das Kind eine Ausbildungsvergütung, wird diese ebenfalls abgezogen. Zuvor darf jedoch eine ausbildungsbedingte Aufwandspauschale von 100 € von der Vergütung abgezogen werden. [1] Ein Beispiel: Bei einer Ausbildungsvergütung von 800 € netto werden 700 € auf den Unterhaltsbedarf angerechnet. Diese Abzüge können den zu zahlenden Betrag um über 350 € monatlich senken. Auch BAföG-Leistungen gelten als Einkommen und werden berücksichtigt. [5] Eine genaue Prüfung aller Einkünfte ist daher für eine korrekte Kindesunterhaltsberechnung unerlässlich.
Praxisbeispiel: So wird der Unterhalt für Studentin Anna berechnet
Ein konkretes Beispiel verdeutlicht die Berechnung. Studentin Anna lebt in einer eigenen Wohnung, ihr Unterhaltsbedarf beträgt somit 930 € (Stand 2024). [10] Ihre Mutter hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 2.500 €, ihr Vater von 3.500 €. Beiden steht ein Selbstbehalt von 1.750 € zu. [8] So wird gerechnet:
Bedarf von Anna: 930 €
Abzug des vollen Kindergeldes: 930 € - 250 € = 680 € Restbedarf.
Einkommen der Mutter über Selbstbehalt: 2.500 € - 1.750 € = 750 €.
Einkommen des Vaters über Selbstbehalt: 3.500 € - 1.750 € = 1.750 €.
Gesamtes verfügbares Einkommen: 750 € + 1.750 € = 2.500 €.
Anteil der Mutter: (750 € / 2.500 €) * 680 € = 204 €.
Anteil des Vaters: (1.750 € / 2.500 €) * 680 € = 476 €.
Der Vater zahlt aufgrund seines höheren Einkommens mit 476 € mehr als das Doppelte des Anteils der Mutter. Bei Fragen zu Ihrem Fall hilft ein Fachanwalt für Familienrecht weiter.
Häufige Streitpunkte und Sonderfälle in der Praxis
Nicht immer verläuft die Ausbildung geradlinig, was oft zu Konflikten führt. Hier sind 4 häufige Szenarien:
Ausbildungsabbruch oder Fachwechsel: Eine kurze Orientierungsphase von 2-3 Semestern wird vom BGH in der Regel toleriert, ohne dass der Anspruch verfällt.
Mangelnde Zielstrebigkeit: Das Kind muss seine Ausbildung ernsthaft betreiben. Werden Prüfungen wiederholt nicht bestanden oder Vorlesungen geschwänzt, kann der Unterhaltsanspruch entfallen. [2]
Zweitausbildung: Grundsätzlich wird nur die Erstausbildung geschuldet. Ein Masterstudium, das auf einem Bachelor aufbaut, gilt jedoch als Teil der Erstausbildung. [11]
Wartezeiten und Lücken: Muss das Kind auf einen Studien- oder Ausbildungsplatz warten, besteht der Anspruch weiter, sofern es sich um die Wartezeit bemüht (z.B. durch Bewerbungen).
Diese Fälle erfordern oft eine individuelle juristische Bewertung, um eine faire Lösung zu finden und eine Abänderungsklage zu vermeiden.
Ansprüche sichern: Warum ein Unterhaltstitel für beide Seiten wichtig ist
Eine mündliche Vereinbarung über den Unterhalt ist rechtlich unsicher. Sowohl Eltern als auch Kinder sollten auf einer schriftlichen Fixierung bestehen. Ein sogenannter Unterhaltstitel (z.B. eine Jugendamtsurkunde oder ein gerichtlicher Beschluss) schafft für beide Seiten Rechtssicherheit und ist vollstreckbar. [4] Die Beurkundung beim Jugendamt ist kostenlos und ein effektiver Weg, um die Vereinbarung offiziell zu machen. [4] Ohne einen Titel können rückständige Forderungen nur schwer durchgesetzt werden. Ändert sich das Einkommen eines Elternteils um mehr als 10 %, kann der Titel angepasst werden. Ein Rechtsanwalt für Unterhalt kann Sie dabei unterstützen, Ihre Ansprüche korrekt zu titulieren und durchzusetzen.
Die Berechnung des Unterhalts für volljährige Kinder birgt viele Fallstricke, von der korrekten Ermittlung des Nettoeinkommens bis zur Anrechnung von Einkünften. Fehler können zu jahrelangen Nachzahlungen oder überhöhten Leistungen führen, die oft mehrere tausend Euro betragen. Eine frühzeitige und professionelle Beratung schützt Ihr Vermögen und sichert den fairen Ausgleich. Wir bei braun-legal verbinden Sie persönlich mit erfahrenen Anwälten für Familienrecht. Unsere Experten prüfen Ihren individuellen Fall, stellen die korrekte Berechnung sicher und sorgen dafür, dass Sie genau den Unterhalt zahlen oder erhalten, der Ihnen zusteht. So vermeiden Sie teure Auseinandersetzungen und gewinnen finanzielle Planungssicherheit.
Literatur
[[1]]: Düsseldorfer Tabelle: https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle/Tabelle-2024/index.php
[[2]]: Unterhalt für volljährige Kinder: https://www.ing.de/wissen/unterhalt-ab-18/
[[3]]: Kindesunterhalt für Volljährige: https://www.isuv.de/kindesunterhalt-ab-18-jaehrigen.html
[[4]]: Kindesunterhalt für Volljährige: https://www.isuv.de/unterhalt/uebersicht/kindesunterhalt-ab-18/
[[5]]: Unterhalt für volljährige Kinder: https://www.finanztip.de/unterhalt-volljaehrige-kinder/
[[6]]: Anrechnung Kindergeld auf Unterhalt: https://www.scheidung.org/anrechnung-kindergeld-auf-unterhalt/
[[7]]: Düsseldorfer Tabelle: https://www.unterhalt.net/duesseldorfer-tabelle.html
[[8]]: Düsseldorfer Tabelle des OLG Düsseldorf: https://www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle/
[[9]]: Selbstbehalt bei Versicherungen: https://www.verivox.de/privathaftpflicht/themen/selbstbehalt/
[[10]]: Elternunterhalt im Studium: https://www.studis-online.de/studienfinanzierung/unterhalt.php
[[11]]: Unterhalt für volljährige Kinder: https://www.finanztip.de/unterhalt-volljaehrige-kinder/
FAQ
Wie wird der Unterhalt berechnet, wenn mein Kind noch zu Hause wohnt?
Wohnt das volljährige Kind noch bei einem Elternteil, richtet sich der Bedarf nach der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle, basierend auf dem addierten Einkommen beider Eltern. Der betreuende Elternteil kann seine Unterhaltspflicht teilweise durch Kost und Logis verrechnen.
Muss ich auch für ein Masterstudium Unterhalt zahlen?
Ja, wenn das Masterstudium inhaltlich und zeitlich auf dem Bachelorstudium aufbaut, wird es als Teil der einheitlichen Erstausbildung angesehen und die Unterhaltspflicht besteht fort.
Mein Kind jobbt neben dem Studium. Wird das angerechnet?
Einkünfte aus einem Nebenjob werden in der Regel nach Abzug einer Billigkeits-Pauschale auf den Unterhaltsbedarf angerechnet. Die Höhe der Anrechnung kann im Einzelfall variieren und sollte geprüft werden.
Wie weise ich die Höhe meines Einkommens nach?
In der Regel müssen die Gehaltsabrechnungen der letzten 12 Monate sowie der letzte Steuerbescheid vorgelegt werden. Bei Selbstständigen sind die Bilanzen oder Einnahmen-Überschuss-Rechnungen der letzten drei Jahre relevant.
Was kann ich tun, wenn sich mein Einkommen stark verändert?
Bei einer wesentlichen und dauerhaften Einkommensänderung (mehr als 10 %) können Sie eine Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels beantragen. Suchen Sie dafür das Gespräch mit dem Kind oder leiten Sie bei Bedarf ein gerichtliches Verfahren ein.
Wer zahlt die Krankenversicherung für das volljährige Kind?
Die Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung sind nicht im Tabellenbedarf der Düsseldorfer Tabelle enthalten. Sie müssen von den Eltern zusätzlich zum Barunterhalt anteilig nach ihrer Einkommensquote getragen werden.