Alleiniges Sorgerecht beantragen, wenn der andere Elternteil unbekannt verzogen ist: Ihr 4-Schritte-Plan
Sie müssen eine dringende Entscheidung für Ihr Kind treffen, aber der andere Elternteil ist seit Monaten oder Jahren nicht erreichbar? Ein Mandant von uns stand genau vor diesem Problem und konnte durch unsere Hilfe in nur 3 Monaten das alleinige Sorgerecht erwirken.
Das Thema kurz und kompakt
Wenn ein Elternteil unbekannt verzogen ist, kann das alleinige Sorgerecht beantragt werden, um die Handlungsfähigkeit für das Kind sicherzustellen.
Der Antragsteller muss dem Gericht umfassend nachweisen, dass der andere Elternteil trotz zumutbarer Nachforschungen unauffindbar ist.
Das zentrale Kriterium für die Gerichtsentscheidung ist ausschließlich das Kindeswohl, welches durch die Blockade wichtiger Entscheidungen gefährdet wird.
Wenn ein Elternteil unbekannt verzieht, entsteht für den zurückbleibenden Elternteil eine enorme Belastung. Die gemeinsame Sorge, das gesetzliche Leitbild in Deutschland, wird praktisch unmöglich. Entscheidungen über die Einschulung, medizinische Eingriffe oder auch nur eine Kontoeröffnung für das Kind erfordern oft die Zustimmung beider Eltern. Ist ein Elternteil aber nicht auffindbar, führt dies zu einer Blockade, die dem Kindeswohl schadet. Das Gesetz bietet hier eine Lösung: Sie können das alleinige Sorgerecht beantragen. Dieser Beitrag zeigt Ihnen die 4 entscheidenden Schritte, um die alleinige elterliche Sorge zu erhalten und wieder volle Handlungsfähigkeit für Ihr Kind zu erlangen.
Schritt 1: Die rechtlichen Grundlagen für den Antrag verstehen
Das gemeinsame Sorgerecht ist der gesetzliche Regelfall, auch nach einer Trennung. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht jedoch in § 1671 eine klare Ausnahme vor. Sie können die Übertragung der alleinigen Sorge beantragen, wenn dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Ein entscheidender Grund liegt vor, wenn die gemeinsame Ausübung der Sorge faktisch nicht mehr möglich ist, weil ein Elternteil unauffindbar ist. In einem Fall vor dem Amtsgericht Bautzen wurde das alleinige Sorgerecht der Mutter zugesprochen, da der Vater seit über einem Jahr unbekannt verzogen war. Die Handlungsunfähigkeit bei alltäglichen Entscheidungen wie Schulanmeldungen gefährdete das Kindeswohl. Diese rechtliche Basis ist der Ausgangspunkt für Ihren Antrag. Der nächste Schritt befasst sich mit der größten Hürde: dem Nachweis der Unauffindbarkeit.
Schritt 2: Die Unauffindbarkeit des anderen Elternteils nachweisen
Das Gericht muss überzeugt sein, dass der andere Elternteil tatsächlich „unbekannten Aufenthalts“ ist. Es reicht nicht, dies nur zu behaupten; Sie müssen Ihre Bemühungen, den anderen Elternteil zu finden, lückenlos dokumentieren. Gerichte stellen hohe Anforderungen an diese Nachforschungspflicht, bevor sie eine sogenannte „öffentliche Zustellung“ des Antrags anordnen. Dabei müssen Sie alle zumutbaren Nachforschungen unternommen haben, was eine verständige Partei auch ohne die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung tun würde. Zu den notwendigen Schritten gehören typischerweise:
Anfrage beim Einwohnermeldeamt der letzten bekannten Adresse.
Nachweislich vergebliche Kontaktversuche über bekannte Telefonnummern oder E-Mail-Adressen.
Anfragen bei gemeinsamen Freunden, Verwandten oder dem letzten bekannten Arbeitgeber.
Dokumentation, dass seit mindestens 6 Monaten kein Kontakt mehr bestand.
Ein erfahrener Fachanwalt für Familienrecht kann Sie dabei unterstützen, diese Nachweise gerichtsfest zu erbringen. Sobald die Unauffindbarkeit feststeht, kann das Verfahren eingeleitet werden.
Schritt 3: Das Verfahren beim Familiengericht einleiten
Der Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge muss schriftlich beim zuständigen Familiengericht gestellt werden. Viele Gerichte bieten hierfür Online-Formulare an, die den Prozess initial vereinfachen. Im Antrag müssen Sie detailliert begründen, warum die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl dient. Hier ist der Verweis auf die fehlende Mitwirkungsmöglichkeit des anderen Elternteils wegen dessen unbekannten Aufenthalts zentral. Das Gericht wird nach Antragseingang in der Regel das Jugendamt um eine Stellungnahme bitten und für das Kind einen Verfahrensbeistand bestellen. Dieser „Anwalt des Kindes“ vertritt ausschließlich die Interessen des Minderjährigen im Verfahren. Der gesamte Prozess dauert oft zwischen 3 und 9 Monaten.
Schritt 4: Das Kindeswohl als zentrales Argument nutzen
Das entscheidende Kriterium für das Gericht ist immer das Kindeswohl. Sie müssen darlegen, dass die aktuelle Situation mit gemeinsamer Sorge, aber nur einem erreichbaren Elternteil, für das Kind nachteilig ist. Die Unfähigkeit, wichtige Entscheidungen zu treffen, ist hier das stärkste Argument. Ein Beispiel: Für eine dringende Operation ist die Zustimmung beider Sorgeberechtigten erforderlich. Ist ein Elternteil nicht auffindbar, kann dies zu gefährlichen Verzögerungen führen. Das Gericht prüft, ob die Übertragung der alleinigen Sorge die stabilste und förderlichste Umgebung für das Kind schafft. Auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist Teil der alleinigen Sorge. Mit der erfolgreichen Übertragung können Sie wieder alle notwendigen Entscheidungen für Ihr Kind allein und rechtssicher treffen.
Konsequenzen und weitere Aspekte der alleinigen Sorge
Mit dem Beschluss über das alleinige Sorgerecht sind Sie die einzige Person, die rechtlich für Ihr Kind entscheiden darf. Dies umfasst die Personensorge (Pflege, Erziehung, Aufenthaltsbestimmung) und die Vermögenssorge (z.B. Eröffnung eines Sparkontos). Wichtig zu wissen ist, dass das Umgangsrecht des anderen Elternteils davon unberührt bleibt. Sollte der andere Elternteil wieder auftauchen, hat er weiterhin ein Recht auf Umgang mit dem Kind, solange dies dem Kindeswohl nicht schadet. Auch die Unterhaltspflicht besteht fort. Sie können beim Jugendamt Unterhaltsvorschuss beantragen, wenn keine Zahlungen geleistet werden. Eine spätere Änderung der Sorgerechtsentscheidung ist nur möglich, wenn triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe vorliegen.
Literatur
FAQ
Was passiert, wenn der andere Elternteil wieder auftaucht?
Taucht der andere Elternteil wieder auf, bleibt die Entscheidung über das alleinige Sorgerecht zunächst bestehen. Er kann jedoch versuchen, eine Abänderung der Entscheidung zu beantragen. Dafür müsste er nachweisen, dass eine Rückkehr zum gemeinsamen Sorgerecht dem Kindeswohl besser entspricht. Das Umgangsrecht lebt sofort wieder auf.
Welche Unterlagen benötige ich für den Antrag?
Sie benötigen die Geburtsurkunde des Kindes, Ihre Ausweisdokumente und vor allem eine lückenlose Dokumentation Ihrer Nachforschungen nach dem anderen Elternteil (z.B. schriftliche Auskunft des Einwohnermeldeamtes, E-Mail-Verkehr, Zeugenaussagen von Verwandten).
Kann ich den Antrag auch ohne Anwalt stellen?
Ja, vor dem Familiengericht besteht in Sorgerechtssachen in der ersten Instanz kein Anwaltszwang. Angesichts der komplexen Anforderungen, insbesondere beim Nachweis der Unauffindbarkeit, ist anwaltliche Unterstützung jedoch dringend zu empfehlen, um Fehler zu vermeiden.
Mein Kind ist 14. Darf es mitentscheiden?
Ja, Kinder ab 14 Jahren werden vom Gericht persönlich angehört und ihr Wille wird bei der Entscheidung stark gewichtet. Ein Widerspruch des Kindes gegen die Übertragung der alleinigen Sorge wird vom Gericht ernst genommen, solange er nicht dem Kindeswohl widerspricht.
Was ist der Unterschied zum Aufenthaltsbestimmungsrecht?
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist nur ein Teilbereich des Sorgerechts. Das alleinige Sorgerecht umfasst alle Bereiche, also neben dem Aufenthaltsort auch die Gesundheitsfürsorge, Schulwahl und Vermögenssorge. Beantragen Sie das alleinige Sorgerecht, ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht automatisch enthalten.